Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

Der Sturmangriff 
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sion, die dem Feind am letzten Apriltage das Dorf Ropica ruska südöst¬ 
lich von Sçkowa entrissen hatten. Am 1. mittags setzte weisungsgemäß 
das Einschießen der Artillerie ein. Die Nacht wurde zum Vorschieben 
der Infanterie verwendet, wobei es wieder an einzelnen Punkten der 
Front zu Gefechten kam. Am 2. früh entrollt sich das große Schlacht¬ 
drama, dessen Beginn der bei Gorlice im Brennpunkte der Ereignisse 
stehende Führer des XXXXI. RKorps, Gdl. v. François, in fesselnder 
Weise schildert1): 
Fünf Minuten vor sechs Uhr ! Schußfertig stehen die Kanoniere an den Ge¬ 
schützen, die Infanteristen haben Sturmgepäck angelegt und drängen an die Brust¬ 
wehr, um zu hören und zu sehen. 
Auf unserem Gefechtsstand Höhe 747 ist es still geworden, jeder steht an 
seinem Platz, die Uhr in der Hand. Blau der Himmel, klar die Luft und zu unseren 
Füßen wie Schlangen im Gelände die eigenen und die russischen Kampflinien. Rechts 
am Rahmen des Panoramas: Gorlice mit der Kirchhofshöhe, in der Mitte die dunkle 
Waldmasse des Kamieniec und zur Linken der Bergkegel des Pustki, das Angriffsziel 
der Österreicher. 
Sechs Uhr ! Der 12 cm bei Höhe 696 gibt den Signalschuß und alle Batterien, von 
den Feldkanonen bis zu den schweren Mörsern, feuern schlagfertig eine Salve nach den 
russischen Stellungen. Dann folgt ein Rollen und Grollen, ein Krachen und Stampfen; 
700 Geschütze öffnen den Feuerrachen und speien Stahl und Eisen, das zischend und 
pfeifend die Luft durchschneidet. Drüben bohren sich die Geschosse in den Boden und 
werfen Erdmassen, Holzsplitter und Hindernisteile meterhoch in die Luft. Jenseits der 
russischen Linien schlagen Rauch und Flammen aus Gehöften und Dörfern. Hier und 
dort sieht man Russen aus Gräben und Stützpunkten flüchten, doch todbringend eilen 
ihnen unsere Schrapnells nach. Schwere Flachbahngeschütze halten die feindlichen An¬ 
marschstraßen unter Feuer. Nördlich Gorlice lodert eine dicke Feuersäule haushoch 
auf, schwarze Rauchmassen steigen aufwärts tief in die Wolken hinein. Ein unver¬ 
geßliches, ergreifendes Schauspiel. Die Tanks einer Naphthafabrik hatten sich entzündet, 
ob durch unser Feuer oder vorsätzlich durch die Russen, keiner weiß es. 
Die russische Artillerie zögerte geraume Zeit mit der Antwort, ihr Feuer blieb 
schwach. Stark schien die russische Artillerie nicht zu sein. 
Der Uhrzeiger steht auf neun ! In das Wirkungsschießen der Artillerie mischt sich 
ein neues Getöse. Die Minenwerfer beginnen ihr Zerstörungswerk. Kleine und große 
Minen fliegen im hohen Bogen, dem Auge sichtbar, über die Sturmstellung hinweg in 
die feindliche Stellung. Scharf und nervenerschütternd ist die Detonation. Die Bäume 
brechen wie Streichhölzer, riesige Stämme werden hochgeschleudert, die Steinmauern 
der Häuser fallen in Trümmer, Erdfontänen spritzen aus dem Boden. Das Erdreich 
erbebt, die Hölle scheint entfesselt... 
Zehn Uhr! Das Minenfeuer verstummt, die Artillerie verlegt das Feuer. Schrille 
Pfiffe. Über die Brüstung hinweg stürzt die erste Sturmwelle vorwärts auf den Feind. 
An nicht wenig Stellen der langen Schlachtfront hatte schon dieses 
erschütternde Präludium der Widerstandskraft des Feindes den Todes- 
i) François, Gorlice 1915 (Leipzig 1922), 47 f.
	        
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