Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

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Der Karpathenwinter 1914/15 
gesäumten Angriff der Erzherzogsarmee beschworen werden könne. Noch 
am 30. wurde daher dem 4. Armeekmdo. am Fernsprecher anheimgegeben, 
entweder mit ganzer Kraft anzugreifen oder eine Infanteriedivision 
an Boroevic abzusenden. Aber in Okocim hielt man begreiflicherweise 
einen Stirnangriff gegen die stark verdrahteten Stellungen Dimitriews 
für aussichtslos1). Noch war der Gedanke der Durchbruchsschlacht 
mit zusammengefaßtem Zerstörungs- und Vernichtungsfeuer schwerer und 
schwerster Artillerie bei den Führern zu wenig gereift. Man wählte die 
!) Zur Erläuterung dieser Auffassung bemerkt der damalige Chef der General¬ 
stabsabteilung des 4. Armeekmdos., GM. v. Paie: 
„Die 4. Armee hatte nach dem Siege bei Limanowa-Lapanow in der Verfolgung 
des Gegners um die Mitte Dezember 1914 die Dunajec-Bialalinie erreicht. Der anfangs 
gehegte Plan, die Offensive sofort weiterzuführen, wurde alsbald als undurchführbar 
erkannt, da der Russe in der nunmehr verkürzten, durch das Terrain ungemein be-i 
günstigten Front starke Kräfte vereinigt hatte, die bald darauf selbst zum Angriffe 
schritten. Erst am 5. Jänner 1915 flauten die feindlichen Vorstöße ab. Die technische 
Verstärkung der nun eingenommenen Stellung und das Ordnen der arg durcheinander¬ 
gekommenen Verbände sowie Vorsorgen materieller Natur nahmen die nächsten Tage 
in Anspruch. Bevor aber noch das Armeekmdo. schlüssig werden konnte, ob und unter 
welchen Bedingungen die Wiederaufnahme der Offensive möglich sein konnte, trafen 
die Weisungen des AOK. ein, die auf eine Operation über die Karpathen abzielten. 
Nicht nur das von der 1. Armee anrollende V. Korps wurde nunmehr dem Ostflügel 
des Gdl. Boroevic zugeführt, sondern die 4. Armee selbst hatte drei Infanteriedivisionen 
an den rechten Heeresflügel abzugeben. 
Unter diesen Verhältnissen waren alle Voraussetzungen für einen selbständigen, 
große Ziele verfolgenden West-Oststoß der 4. Armee genommen. Wenn auch in den 
folgenden Wochen und Monaten die gegenüberstehende Front des Gen. Dimitriew nach 
und nach geschwächt wurde, so änderte dies nichts an der Situation, da auch die 
4. Armee immer wieder weitere Kräfte in die Karpathen abzugeben hatte. Ein isolierter 
Angriff der 4. Armee blieb aussichtslos. Es war ganz undenkbar, daß er, mit den vor¬ 
handenen geringen Kräften unternommen, so große Erfolge zeitigen würde, um auf 
die Situation der östlichen Teile der Karpathenfront wirksam zu werden; es war aber 
sicher, daß jede solche Offensive überaus verlustreich sein mußte und dadurch selbst 
die weitere unbedingte Behauptung der Dunajec-Bialalinie in Frage stellen konnte. 
Bei den Erwägungen und Erörterungen eines solchen Angriffes mußte daher das 
4. Armeekmdo. eine ablehnende Haltung einnehmen. In Okocim war man sich jedoch 
andererseits der Pflicht bewußt, jede Schwächung des gegenüberstehenden Feindes ebenso 
mit einem sofortigen Angriff zu beantworten, wie in dem Falle offensiv zu werden, 
wenn das benachbarte III. Korps zum Angriff schritt oder selbst arg bedroht würde. 
Das 4. Armeekmdo. war sich endlich auch im klaren, daß die großen Ziele des AOK. 
auch unter Opfern gefördert werden müßten. Es stimmte daher der Schwächung der 
eigenen Front bis an die Grenze des überhaupt möglichen zu, ohne jemals Bedenken zu 
äußern, und ergriff jede Gelegenheit, um durch partielle offensive Unternehmungen 
das benachbarte III. Korps zu unterstützen oder ein Abziehen des Gegners zu verhin¬ 
dern" (Zuschrift vom 5. Jänner 1929 an das Kriegsarchiv).
	        
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