Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Krieg und Technik 
unterliegen diesem Bann — auch der französische Elan, die englische Kaltblütig¬ 
keit vermögen nicht mehr jene Zonen zu überwinden, die sich ihnen immer dichter, 
immer tödlicher entgegenstellen. 
Nun beginnt der Stellungskrieg, in dem sich die wachsende Schwere, die sich des 
Krieges bemächtigt, dadurch andeutet, daß in den Heeresberichten durch Jahre hin¬ 
durch immer wieder die Namen derselben Ortschaften, derselben Waldstücke, der¬ 
selben Wasserläufe auftauchen als ein Zeichen dafür, daß für alle Teile der Ge¬ 
winn im gleichen Maße zusammenschrumpft, in dem der Verlust härter wird. Die 
Schwerkraft des feurigen Raumes wird so bedeutend, daß die letzte Anstrengung 
großer Reiche sich in der Eroberung verwüsteter Landfetzen, zerschlagener Wald¬ 
stücke und vernichteter Dörfer erschöpft. 
Die lebendigen Kräfte der großen Armeen, die die Staaten in Bereitschaft hielten, 
find zwar noch längst nicht verbraucht, im Gegenteil, sie vervielfältigen sich, aber 
sie gleichen einem Gewicht, das durch ein Gegengewicht in der Schwebe gehalten 
wird. 
Das Zünglein an der Waage ist das Niemandsland, ein schmaler Erdstrich, 
oft weniger als hundert Meter breit, der aber dennoch immer unüberschreit- 
barer wird. And wo es den in seid- oder erdfarbene Monturen gekleideten An- 
greiser» gelingt, ihn nach immer sorgfältigeren und allen Gesetzen der kriegerischen 
Ökonomie Hohn sprechenden Vorbereitungen zu überwinden, da öffnet sich vor 
ihnen die Tiefe des feindlichen Raumes, ein Medium von elastischer Zähig¬ 
keit, das jeden Schritt mit bleiernen Gewichten beschwert. Schon nach Stunden, 
spätestens nach Tagen, liegt jener einsame, mit Drähten verspannte Streifen 
wieder vor ihrem Blick — die Waage zittert für immer kürzere Zeit, ihre Aus¬ 
schläge verlieren immer mehr an entscheidender Bedeutung, mit welcher Last man 
ihre Schalen auch beladen mag. 
Die Gewichts, deren man sich bedient, find die Materialmassen, die der technische 
Arbeitsgang der großen Industriestaaten in immer angespannterer Anstrengung 
fabriziert. Der Sinn der Strategie scheint billiger geworden zu sein; man will 
den Gegner erdrücken, wenn man ihn nicht mehr im offenen Felde schlagen kann. 
Auf diese Weise entsteht das Bild der Materialschlacht, das Bild einer ungeheuren 
Entfaltung von technischen Energien, deren Wirkung jedoch über den taktischen 
Erfolg nicht hinauszugreifen vermag. Die Steigerung des Feuers nimmt in 
diesen Schlachten nie geahnte Ausmaße an. Die Artillerien schwellen zu Ve- 
lagerungsparks, deren Geschütze an Zahl und Schwere ununterbrochen wachsen, 
und deren Wirkung sich nicht nur durch den vermehrten Munitionsverbrauch steigert, 
sondern auch dadurch, daß sie auf ruhende, begrenzte und bekannte Ziele gerichtet 
ist. So entstehen die neuartigen Begriffe des Sperrfeuers, des Vernichtungs¬ 
feuers, des Trommelfeuers. Durch die Verwendung von Gasen wird die Dichte 
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