Ernst Jünger — Das Antlih des Weltkrieges
mir sagen, wohin die Elisabether sich vorgearbeitet haben?" — „Da müssen Sie
sich halblinks halten, haben Sie denn keinen Führer?" — „Rein?' rufe ich rasch,
denn der Bayer ist unterdessen verschwunden. „Sie müßen mir unbedingt einen
stellen!" — „Herr Leutnant," brummt die starke Stimme, es wird wohl der
Abschnittskommandeur sein, „begleiten Sie den Herrn!" Aus dem engen
Loch kraucht mühsam ein kleiner, grauer, blutjunger Offizier hervor, und seine
Stimme ist wie die eines Mädchens. Wie genau man doch gerade in den tollsten
Augenblicken beobachtet! Plötzlich ist auch der bayerische Führer wieder da.
Reinhard hat ihn eingefangen. „Sie müßten doch Bescheid wißen!" — „Rein,"
stammelt der, aber er scheint den Leutnant zu kennen. „Da find Sie halt ka
Führer net," sagt der wütend und geht uns vorauf, wir hinterdrein. Dann halten
wir. „Run können Sie es nicht mehr verfehlen. Da, halbrechts, da find Ihre
Kameraden!" Ich will noch etwas fragen, irgendeine Unklarheit dämmert mir
herauf, aber die Nacht hat den Leutnant aufgesogen, wir find allein.
Ich nehme mir Reinhard und Iahnke beiseite. „Kinder," sage ich, „der Haupt-
mann in dem Loche gab an, ,halblinks', der Leutnant jetzt eben ,halbrechts', es
ist zum Kotzen!" Schleunigst stelle ich zwei Patrouillen zusammen, beste Kämpen.
Je drei Mann spritzen auseinander, wir sofort hinterher, den Mittelweg zwischen
den beiden angegebenen Richtungen, die Gewehre, die Handgranaten locker ge¬
macht. Rund um uns her, hinter uns, immer näher, Leuchtkugeln. Wenig deutsche,
aber viel von den lange schwebenden franzöfischen Lichtschirmraketen. Die Pa¬
trouillen find in die Nacht hinein verschwunden. Reinhard, Iahnke, ich, brüllen
rückfichtslos in die Finsternis: „Zweites Bataillon Elisabeth!" Da — im
Scheine einer Leuchtkugel eine kleine Anhöhe vor uns, dahinter schanzende, dunkle
Gestalten. „Hierher!" tönt es schwach zurück. Wir stürmen vorwärts, wir er¬
reichen die ersten, und wenige Augenblicke später weiß ich, daß wir gerade am
rechten Flügel des Bataillons, bei der fünften Kompanie, Straße Le Forest-
Maurepas, am Hohlwege zu unserer Truppe gestoßen find. Rur wenige Meter
weiter rechts, und wir wären dem Franzmann geradeswegs in die Arme ge¬
laufen.
Salmuth ist selig, daß wir da find. Rasch erhält jeder seinen Platz, denn es gilt,
schleunigst in die Erde zu kommen. Reinhard, Iahnke, ich buddeln abwechselnd.
Eine mächtige Gestalt steht hinter mir, spricht mich an: Francois.
Ich erzähle ihm von unserer Fahrt, er nickt, mir ist es, als wäre es ein Zeichen
der Anerkennung. Ich frage ihn, was er von unserer Lage hält. „Für die nächsten
Tage so günstig wie möglich. Der Franzose vermutet uns nicht so weit vor, seine
Artillerie wird Forest hinter uns mit allen nur möglichen Kalibern zudecken. And
dann, wenn fie uns nicht mit ihren Vetonklötzen zerschmettert haben, den In¬
fanterieangriff, pah, den brauchen wir nicht zu fürchten. Der Hohlweg bei mir
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