Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Bilder aus der Sommeschlacht 
noch eine Hoffnung: die Essenträger sind heran. Während die Kompanie in aller 
Hast ein wenig ißt und ihre Feldflaschen füllt, eile ich zum bayerischen Gefechts- 
stand und packe mir eine Ordonnanz. Es ist ein stämmiger, markiger Gesell, aber 
seine Stimme müde, seine Sprache stockend, verwirrt. „Wisien Sie, wo die 
Elisabether sich vorgearbeitet haben?" Er nickt gleichgültig. „Dann vorwärts, ich 
brauche Sie, wir sind abgekommen." Er wehrt sich: „Ich komme eben von dort." 
Mein Befehl: „Desto besser!" 
Zum zweiten Male treten wir die Todesfahrt an. Der Bayer rennt wie ein 
Wahnsinniger, zu schnell für die ermüdeten Leute. Ich halte ihn fest. Nur nicht 
wieder die Verbindung verlieren! 
Da überraschen uns Lagen von Schrapnells. „Vis zum Hohlweg," keucht der 
Bayer und schlägt ein wahnsinniges Tempo an. Ich drehe mich um, immer noch 
halten meine Hände seinen Nock krampfhaft gepackt: „Marsch, marsch!" Die 
meisten müffen das Kommando gehört haben, aber ihr völlig ermüdeter Körper 
vermag keine schnellere Gangart mehr aufzubringen. 
Da liegen wir an einem kleinen Abhang. Die Kompanie läuft allmählich auf, 
fallen sehe ich niemanden. Sie schießen jetzt rechts und links von uns. Weiter! 
Aber der Bayer will nicht. Ein plötzlicher Tränenstrom bricht aus seinen Augen: 
„Mein Weib, meine Kinder! Zum zwanzigsten Male heute durch dieses Feuer! 
Ich kann nicht mehr, Herr Leutnant!" Es ist furchtbar, einen starken, tapferen 
Mann weinen zu sehen. Ich fühle, hier ist ein Befehl machtlos, wo durch die 
furchtbaren Eindrücke der Geist zerbrochen wurde. „Ich komme nicht wieder!" 
heult der Führer, und sein ganzer mächtiger Körper schüttelt und bäumt sich. Da 
bitte ich, nein, ich flehe und faffe ihn liebevoll bei den Schultern: „Cs ist doch 
nicht mehr weit, und sieh einmal, es sind so viele Kameraden, die ohne dich dem 
verfluchten Franzmann geradeswegs in die Arme laufen." Der Mann wird 
ruhiger. „Es geht schon vorüber." sagt er. Ich frage: „Ist der Vayerngraben 
denn immer noch so weit?" „Gleich, gleich," die Antwort. Immer weiter bohren 
wir uns in die Nacht durch das rasende Feuer. Dann find wir da. 
Ein dunkler Graben, anscheinend von Menschen leer, aber nein, lauter dunkle 
Flecke, Körper: Tote. Meine einzige Sorge ist der Führer, der sich von neuem 
und dieses Mal entschieden weigert. Jetzt aber erst beginnt die eigentliche 
Schwierigkeit, der Vorstoß über diese letzte und vorderste deutsche Stellung hin¬ 
aus in den Feind, wohin sich die Kameraden schon verloren haben. Der Bayer 
erklärt: „Von hier noch drei- bis vierhundert Meter." Dabei weist er in die 
Finsternis. „Ihr könnt nicht mehr fehlgehen." Mein irrender Blick sucht 
wieder den Todesgraben, bleibt auf einer Zeltbahn haften. „Sind hier 
Offiziere?" Irgend etwas brummt zurück. Eine markige, feste Simme, die in das 
Grauen der Nacht etwas ungeheuer Beruhigendes trägt. „Ja!" — „Können Sie 
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