Ernst Jünger ~ Das Antlitz des Weltkrieges
nicht teilhaben konnte, eine wertvolle Hilfe erteilen wird. Das Leben der Krieger
in den Ruheorten, den Reservestellungen und der Kampfzone, die Arten der Ver-
nichtungsmittel und der Anblick der durch fie bewirkten Zerstörung am Menschen,
an seinen Werken und Siedlungen und an der Natur, das Gesicht des Schlacht¬
feldes in seiner Ruhe und in der höchsten Steigerung seiner Bewegung, so wie
es sich dem Beobachter aus den Gräben und Trichtern oder von der Höhe des
Fluges aus darstellte —, alles dies ist vielfach erfaßt und für spätere Zeiten
erhalten in einer Weise, die schriftliche Aufzeichnungen ergänzt. Za, darüber
hinaus besitzen wir noch Bilder, die in den Augenblicken des Nahkampfes ent¬
standen find, glückliche Zufallstreffer der Kamera, von Händen erzielt, die für
eine Sekunde auf die Führung des Gewehrs oder der Handgranate verzichteten,
um den Momentverschluß zu betätigen.
Für den aufmerksamen Betrachter stellt eine Sammlung von solchen optischen
Dokumenten einen Zugang für die Wertung des Krieges sowohl in seiner
Eigenschaft als Arbeits- wie als Kampfprozeß dar. Insbesondere bietet sich ihm
jener einmalige und aller Voraussicht nach in dieser Eigenart nie wiederkehrende
Anblick des Grauens und der landschaftlichen Verödung dar, wie er außer im
Weltkriege nur noch im Russisch-Japanischen Kriege angedeutet war. Denn bereits
in diesen Jahren nach dem Kriege ist eine Veränderung der Kampfmittel im
Werden, die auch das Bild künftiger Auseinandersetzungen verändern muß.
Ununterbrochen werden die Kriegswaffen abstrakter, sie entwickeln sich im gleichen
Schritte mit der Entwicklung der technischen Welt überhaupt, die gesteigerte
Mechanisierung macht sie beweglicher und auf wachsende Entfernungen wirkungs¬
voll. So ist zu vermuten, daß das Heer der Motoren, das sie zu Lande und in
der Luft bewegt, einen jahrelangen Stillstand des Krieges in der Landschaft nicht
mehr dulden wird, und daß die großen Städte als die Zentralen und Nerven¬
punkte der technischen Welt auch für die neuen Heere eine wachsende Anziehung
ausüben werden.
Es versteht sich von selbst, daß sich mit dieser Entwicklung der Krieg zu einem
Akte von immer schwererer Verantwortung, von immer einschneidenderen Folgen
gestalten muß. Schon die Auswirkungen des letzten Krieges erstrecken sich
weit über das Leben der Generation hinaus, die an ihm beteiligt war, und viel¬
leicht w-äre ein Land von geringerer Lebenskraft als Deutschland nicht imstande
gewesen, seinen Verlust zu ertragen. Da dem Leben der Hang innewohnt, die
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