Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

Überstimmen geben: Können sich die Streitteile nicht einigen- so könnte 
nur die größere Hoheit des Staates entscheiden. 
2hre Selbstverwaltung bezieht sich auf Rechtspflege (Schledsge- 
richt- Liuigungsamt), soziale Hilfe (Versicherungswesen, Betriebs-- 
schuh, WohuuNgsfursorN) und Aufbau der Bedarfswirtschaft. 
Rechtspflege: 
„Glaubt jemand aus dem einen oder anderen Stand, er sei in irgend 
einem Recht verletzt, so wäre es der beste Ausweg, einsichtige und lautere 
Rlänner aus derselben Vereinigung mit dem schiedsrichterlichen Amt zu 
betrauen, deren Schiedsspruch die Satzungen selbst verbindlich zu machen 
hätten." (Leo, Arbeiterfrage 67.) 
Sn früheren Zeiten, da das Gemeinschaftsleben des Volkes noch 
stärker war, ging die Rechtsprechung der Berufsverbände weit über 
das eigentlich Berufliche hinaus, wie ja das deutsche Rechtsempfinden 
eine strenge Trennung von öffentlichem und privatem Recht nicht kennt. 
Ein Zunftgericht hat auch über Ehrenbeleidigungsklagen entschieden- 
wahrscheinlich besser als unsere heutigen Gerichte, weil doch die Zunft- 
richter ihre eigenen Leute schon kannten, bevor sie das Zunftgericht an 
riefen. Von den bäuerlichen Dorfgerichten und den städtischen Marktge 
richten wissen wir- daß sie so ziemlich über alles Recht sprechen konnten. 
Rur „Diebstahl, Mord, Notzucht" blieben dem übergeordneten Landes- 
gericht. Ob wir die Rechtsprechung wieder soweit in die Hand des Volkes 
selbst legen können, ist schwer zu entscheiden. Aber jedenfalls gehört alles 
unmittelbar Berufliche, besonders alles, was aus dem Arbeitsertrag her 
vorgeht, zunächst unter die Gerichtsbarkeit des Berufsstandes. 
Soziale Hilfe: Versicherungswesen, Betriebsschutz und Wohnungs- 
fllrsorge sind natürlich nicht die einzigen Gruppen, bei denen eine beruf- 
ständische Hilfe erwünscht und nötig ist. Es gehört hieher auch die Ar 
beitsvermittlung. Auch dieses Gebiet wird am leichtesten von den Be 
rufständen bewältigt. Die Berufsgenossenschaften haben am raschesten 
Ueberblick über den Bedarf an Arbeitskräften und über die Aussichten 
bei verwandten Berufen. Sie sind daher auch am ehesten imstande, Ar 
beitslosenunterstützung mit der Arbeitsvermittlung zu verbinden. 
Die schwierigste Aufgabe der Berufstände aber liegt ohne Zweifel 
darin, eine geordnete Bedarfswirtschaft herbeizuführen, d. h. eine Wirt 
schaftsordnung aufzubauen, die es tatsächlich ermöglicht, wenigstens an 
nähernd den wirklichen Volksbedarf zu decken, die nicht die Deckung des 
Volksbedarfes als Aebenbefchäftigung ansieht, neben der Hauptbe 
schäftigung des unbeschränkten Gewinnmachens; eine Wirtschaftsordnung» 
die nicht vom Preis ausgeht, sondern vom Lohn.
	        
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