Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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schnappt ihm die Tilde »der der Staat die „Produktionsmittel" v>eg. 
Ueber seinen Arbeitsertrag nach den Forderungen der Gerechtigkeit 
und Klugheit zu verfügen, ist aber ein Urrecht des Menschen — daher 
verträgt sich der Sozialismus nicht mit den Urrechten des Menschen. 
Die sozialistische Lehre verwandelt die gesamte Menschheit in 
Ltaatsarbeiter oder Gildenarbeiter, in eine graue, armselige Masse, 
unter der nur jene zu lachen haben, die diese Ordnung stützen müssen — 
die Regierungstruppen. Sie verwirrt also den Kreis der Pflichten und 
Rechte der staatlichen Eemeinschaft. 
Dieses Herstellen einer Einheitsmasse ist nicht einmal möglich. 
Will man dem freien Streben Zwang antun, sc» braucht es eine starke 
Gewalt, die jede selbständige Regung niederhält. So haben wir erst 
recht den Kampf aller gegen alle. So untergräbt der Sozialismus die 
ruhige Entwicklung der Gesellschaft. 
Es nützt alles nichts: Das Eigentumsrecht muh bleiben» nur nicht 
das römisch-heidnische, sondern das christliche, das den Arbeitsertrag 
nicht willkürlich kürzt. 
Wir müssen es noch einmal ganz deutlich sagen: Wir kennen keinen 
.Klassenkampf mit dem Kampfziel: Gemeineigentum. Wir kennen aber 
sehr wohl einen unermüdlichen, hartnäckigen Kampf des Arbeiterstandes 
um seine Rechte. Wir müssen zwischen Gewinnwirtschaft und Klassen 
eigentum durch zur christlichen Gesellschaftsordnung. Das geht natürlich 
nicht ohne gewaltige Anstrengungen, ohne Kampf. 2n diesem Kampf 
dürfen wir uns als christliche Arbeiter keiner Mittel bedienen, die 
an sich schlecht sind, wir dürfen uns zu keinerlei Gewalttat hinreihen 
lassen. Wir müssen diesen Kampf führen durch Aufklärungsarbeit, Bil 
dungsarbeit, gewerkschaftliche Arbeit, polnische Arbeit, und das Ziel 
dieses Kampfes ist der gesellschaftliche Friede. Es gibt auch heute noch 
ehrsame Bürger, dE in jedem Lohnkampf gleich einen Klassenkampf 
sehen, die sehr bös sind, wenn einmal ein christlicher Gewerkschaftssekrs- 
tär höhere Forderungen stellt als ein sozialistischer. Gewih, niemand 
darf höhere Forderungen stellen als die Gerechtigkeit erlaubt. Um aber 
zum gerechten Lohn zu kommen, müssen wir den Arbeitsertrag des gesam 
ten Betriebes kennen. Wenn man eine Gröhe nicht kennt, die 
man zu teilen hat, kann man unmöglich gerecht teilen. Solange unsere 
Wirtschaftsordnung das ehrliche Einbekennen des Ertrages nicht kennt, 
solange kann sich schwerlich jemand über eine ungerechte Lohnforde 
rung beklagen. 
Viele, viele gute Ehristen sind leider auch heute noch so kurzsichtig, 
dah sie die einfache Wahrheit nicht einsehen: Vom Wohlstand kann man 
nur dann sprechen» wenn möglichst alle Menschen daran teilhaben.
	        
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