Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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„Die Lehre des Sozialismus über das Gemeineigentum müssen wir völlig 
abweisen. 
Sie schadet denen am meisten, denen geholfen werden soll. 
Sie verträgt sich nicht mit den Urrechten des Menschen. 
Sie verwirrt den Kreis der Pflichten und Rechte der staatlichen Ge 
meinschaft. 
Sie untergräbt die ruhige Entwicklung der Gesellschaft. Das Eigentums 
recht muh bleiben. Diese Grundlage müssen wir uns Erhalten, wenn wir das 
Los des armen Volkes verbessern wollen." 
Die Lehre des Sozialismus liegt in zwei Lätzen: Schuld an der un 
gerechten Verteilung der wirtschaftlichen Güter ist das „Privateigen 
tum" an den „Produktionsmitteln". Der Klassenkampf muh diese Pro 
duktionsmittel für die Gesamtheit erkämpfen. Wenn wir also die so 
zialistische Lehre vom Klassenkampf ablehnen, so lehnen wir auch dar 
Fiel ab, worum dieser Kampf geführt wird, nämlich die Abschaffung 
des persönlichen Eigentums. 
Es ist nicht nötig, die ganze Frage des Eigentums hier wieder auf 
zurollen. Darüber spricht der allgemeine Teil genug. Wir fassen nur 
zusammen: Auch wir kennen kein „Privateigentum", d. h.: Der Be 
griff des schrankenlosen Eigentumsrechtes, des Eigentums, dem keine 
gesellschaftlichen Pflichten anhaften, ist unchristlich, heidnisch; in diesem 
Sinne kennen wir ein „Privateigentum weder an den fruchtenden Gü 
tern noch an den Verbrauchsgütern. Wir kennen aber ein persönliches 
Eigentum und behaupten, dah dies die gewöhnliche Form des Eigen 
tums ist; daneben mag es immerhin alle möglichen anderen Formen 
geben (Genossenschaftseigen, Staatseigen, Gemeindeeigen, Stiftung). Wir 
hallen es aber für einen ganz unsinnigen Gedanken, den Mißbrauch des 
Eigentumsrechtes dadurch ausschalten zu wollen, daß wir sämtliches 
Eigentum in Staatseigentum (älterer Sozialismus), oder in genossen 
schaftliches Eigentum (Gildensozialismus) verwandeln. Wird der Klassen 
kampf um dieses Fiel geführt — und das wird er — so ist der Kamps 
zwecklos, weil er das nicht erreicht, was er erreichen will oder soll: dis 
größere Gerechtigkeit. 
Denken wir den Gedanken völlig zu Ende, so kann auch schließlich 
der Arbeiter kein fruchtendes Eigentum mehr erwerben, also nicht ein 
mal einen Schrebergarten, denn das erste „Produktionsmittel" ist doch 
wohl der Boden — der Sozialismus schadet also denen am meisten, denen 
geholfen werden soll. 
Die sozialistische Lehre entreißt weiter dem Menschen das Ver- 
fügungsrecht über seinen Arbeitsertrag: es könnte sich kein Gehilfe mehr 
selbständig machen — kaum hat er stch seine Werkstätte eingerichtet,
	        
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