Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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Ltaatswohles etwas ?u verfügen, was die klare Vernunft nicht billigen kann. 
Gesetze können ja nur insoweit Gehorsam verlangen, inso- 
weil sie mit dem gesunden Hausverstand und dadurch mit 
dem ewigen Gesetze Gottes überein st immen. 
Lhomas von Aquin: „Lin menschliches Gesetz hat nur dann Anspruch auf 
Gesetzeskraft, wenn es mit der Vernunft übereinstimmt. Nur in diesem Fall ist es 
klar, daß es auf das Gottesgesetz zurückgeht. Sobald es aber auf die Grund 
lage der Vernunft verzichtet, ist es ein ungerechtes Gesetz; dann hat es keine 
Gesetzeskraft, sondern nur die Kraft einer Gewalt." (Leo, Arbeiterfrage 62.) 
Das Lhristentum hat immer an einem natürlichen Sittengesetz 
und einer natürlichen Rechtsordnung festgehalten, d. h. an einem Sit- 
tengesetz, an einem Rechtsbewußtsein, das in der menschlichen Ver 
nunft an sich verankert ist und von ihr überall erkannt wird. Dieses 
Recht ist mit unserem Wesen selbst verbunden und kann daher nicht 
verändert werden. Wollen also menschliche Gesetze Anspruch auf Rechts 
kraft erheben, so müssen sie als Folgen, als Linzelanwendungen dieses 
allgemeinen Aaturgesetzes erscheinen, zum mindesten dürfen sie mit ihm 
in keinem Widerspruch stehen. 
Dieses natürliche Gesetz, das in uns allen lebendig ist, ist eine 
der stärksten Grundlagen für unsere Freiheit auch dem Staat gegen 
über. Unsere gesamte Staatsverwaltung sähe anders aus, wenn 
sich unsere Beamtenwelt und unsere gesamte Staatsbürgerschaft über 
haupt dieser inneren Freiheit immer bewußt wäre. 
2st auch die politische Entwicklung Sache des ganzen Volkes, so 
muß doch die Arbeiterschaft dafür sorgen, daß ihre Anschauungen 
durch die eigene Organisation zur Geltung gebracht werden. 
Line eigene Organisation der Arbeiterschaft innerhalb einer großen, 
politischen Gruppe ist aus zwei Gründen immer nötig. Gerade inner 
halb der heutigen Wirtschaftsordnung ist die Arbeiterschaft der lei 
dende Leil, der immer wieder die staatliche Fürsorge in Anspruch neh 
men muß. Hat die Arbeiterschaft nicht genügend Vertreter in den 
entsprechenden gesetzgebenden Körperschaften, so wird sie ihre An 
sprüche nie genügend verwirklichen können. Ls gibt aber außerdem noch 
Fragen, die zwar das ganze Volk betreffen, bei denen aber trotzdem 
ein entscheidendes Mitwirken gerade der Arbeiterschaft sehr wichtig 
ist. Denken wir zum Beispiel an die äußere Politik. Ls liegt in der 
Aatur der Sache, daß die Arbeiterschaft in zwischenstaatlichen Verwick 
lungen immer jener Leil ist, der am ehesten zum Frieden mahnt, weil 
jede Störung zwischenstaatlicher Beziehungen sie am empfindlichsten 
trifft, während andere Gruppen — etwa bestimmte Kreise der Unter 
nehmerschaft — viel eher geneigt sind, machtfordernd aufzutrumpfen.
	        
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