Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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allerdings nötig, daß solche Fragen über die staatlichen Grenzen hin- 
ausgehen, denn sich ganz vom Ausland unabhängig zu machen, ist keinem 
Staat möglich. Dazu haben wir heute schon das zwischenstaatliche Ar 
beitsamt in Genf. Auch dieses müßte berufsgenossenschafllich ausge 
staltet werden. 
Die Frage des Achtstundentages darf aber nicht zu einer'Lohn- 
frage umgedeutet werden, wozu mancher Arbeiter neigt. Den Acht 
stundentag deshalb zu vertreten, damit die neunte Arbeitsstunde höher 
entlohnt werde, ist eine Anschauung, die dem Achtstundentag am aller 
meisten schadet. Denn unsere gowinnwirtschaftlichen Größen können 
dann immer wieder sagen: „Die Arbeiter -wollen ja selber länger ar 
beiten; es kommt ihnen nur auf den Lohn an." 
Es ist in allen Ländern nachgewiesen, daß der Achtstundentag wohl 
tätige sittliche Folgen-gezeitigt hat. Sm allgemeinen ist der Arbeiter 
stand durch ihn sittlicher geworden, nüchterner, arbeitsamer und familien- 
'Hafter. Die so gesunde Siedlungsbewegung ist zum Großteil eine Folge 
des Achtstundemages. So können wir ruhig sagen: Der Achtstundentag 
ist die bedeutendste soziale Errungenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts. 
Sonntagsruhe. 
Sonn- und Feiertage sind nicht nur Ruhetage, sondern vor allem 
Tage des Seelen- und Geistesleben. Sie dürfen nicht angetastet 
werden. 
„Für beide Arten von Erholung muß gesorgt sein, für Erholung zum 
Zwecke der Seelenpflege und für Erholung zum Zwecke des Kräfteersatzes. 
Zede Art von Vertrag, die nicht auf dieser Grundlage ruht, ist ungerecht; denn 
niemand kann sich der Pflichten entschlagen, die er gegen Gott und gegen sich 
selbst zu erfüllen hat." (Leo, Arbeiterfrage 54.) 
Es wäre ein Srrtum, anzunehmen, der Sonntag sei nur dazu da, 
um dem Körper Ruhe zu geben, um die gleichsam heißgelaufenen Ar 
beitsglieder wieder einmal kalt zu stellen, damit sie nicht frühzeitig ver 
braucht werden. Uns ist der Sonntag wohl Ruhetag, er ist uns aber auch 
ein Tag der Menschenwürde, ein Tag des inneren Verkehres mit Gott. 
Wir geben ohneweiters zu, daß Sonn- und Feiertage vielfach ganz 
mechanisch nur als Arbeitspausen gewertet werden. Das soll aber nicht 
so sein und es ist schlecht, wenn es so ist. Der Mensch braucht unbedingt 
äußere Antriebe, damit er sich seine Weltanschauung immer wieder 
zurechtrücke. Selbstverständlich muß unser ganzes Leben vom Gottes- 
gedanken getragen sein. Aber von Zeit zu Zeit müssen wir. uns eben 
besonders auf ihn einstellen, wenn er nicht langsam verblassen und zur 
abgegriffenen Münze werden soll. Das geistige Leben des Katholiken
	        
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