Volltext: Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege

DIE VERWALTUNG UND DER NATIONALE KAMPF. 
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liberalen, die sich als Staatspartei par excellence gefühlt und 
geriert hatten, zu Fall gekommen war. Für diesen Termin sahen 
sie voraus, daß dann die ganze Macht doch wieder der Wiener 
Bureaukratie in die Hände fallen müsse. Wie richtig diese Vors 
aussicht gewesen, zeigt der Weg, den die politische Entwick* 
lung Österreichs nach dem Sturze des Kabinetts Taaffe gegangen 
ist. Damit begann eine neue Periode in der Geschichte des 
habsburg’schen Reiches und des österreichischen Staates. Hier* 
von wird noch mehr zu sagen sein. Soll aber vorher die Summe 
gezogen werden aus dem, was bisher über das geschichtliche 
Regierungs* und Verwaltungssystem Österreichs gesagt worden 
ist, so ergibt sich für die Epoche, die 1893 abschließt, folgende 
Bilanz. 
Die Entfesselung des nationalen Kampfes, vorerst in der 
Form der Amts* und Schulsprachenkämpfe zwischen den Völ* 
kern als Frucht der Politik der autonomistisch genannten Partei* 
koalition des Reichsrates, hat vor allem auf die Provinzial* und 
Bezirksverwaltung Österreichs tiefgreifend eingewirkt, indem 
sie in den bis dahin einheitlichen Geist und Körper der obrig* 
keitlichen Verwaltung zersetzende Elemente einführte. Die 
Verstärkung des slawischen Anteiles am Staatsdienstpersonal 
innerhalb der deutsch*slawischen Gebiete erschütterte zunächst 
keineswegs die alte Disziplin der Unter* und Mittelbehörden 
gegenüber den Wiener Ministerien, aber sie untergrub doch für 
die Zukunft deren Grundlagen weit mehr, als die Zeitgenossen 
bemerken konnten. Die außerordentliche Vermehrung und Er* 
Weiterung der Staatsaufgaben, die ein Kennzeichen jener Ge* 
Schichtsperiode auch in Österreich bildete, machte eine solche 
Vermehrung der staatlichen Arbeitskräfte notwendig, daß 
schon in den neunziger Jahren die ersten Folgen der begonnenen 
Ausbildung einer Massenbeamtenschaft sich ankündigten. Bei 
dieser war naturgemäß die Sicherheit unveränderter Bewahrung 
des altösterreichischen Geistes der Staatsdienerschaft zweifei* 
los verringert. Flingegen gingen die Wiener Zentralverwaltung 
und ihr Träger, die hohe Bureaukratie, aus der fünfzehnjährigen 
Ära des Taaffeschen Systems im wesentlichen unverändert, ohne 
Schwächung ihrer Tradition und der ihr eigentümlichen poli* 
tischen Denkrichtung hervor. Die ihr doch nur spärlich zuge* 
führten neuen nicht deutschen Elemente sind zum großen Teile 
von der deutschen Wiener Bureaukratie gleichsam aufgesogen,
	        
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