Volltext: Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege

VERFASSUNG UND AUTONOMIE. 
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das nachdrückliche Bestreben, das Machtmonopol der Bureau* 
kratie, den «Obrigkeitsstaat», nach Möglichkeit einzuschränken 
und seine Befugnisse zu mindern. Darum verlangten sie, daß 
die Durchführung des konstitutionellen Prinzips in Österreich 
auch die Wahrung weitgehender Autonomie und Dezentrale 
sierung der inneren Verwaltung in sich schließe. Diese aber 
sollte nicht nur den Ländern, sondern vor allem den Gemeinden 
zuteil werden. In diesen beiden historischen Formen der bürger* 
liehen Gesellschaft wollten die deutschösterreichischen Libe* 
ralen eine gewisse, scharf abgegrenzte «staatsfreie» Atmosphäre 
öffentlicher Verwaltung schaffen, die dem Einzelnen und der 
Gesellschaft als solcher Freiheit gegenüber der Allmacht der 
zentralistischen Bureaukratie gewähren würde. Hier war also 
der Punkt zu finden, an welchem sich die Deutschen damals 
politisch noch mit den Slawen zu verstehen schienen. Aller* 
dings zeigte sich bald, daß dieses Verständnis mehr scheinbar 
als wirklich war, da die Deutschen der Autonomie in ihrer Auf* 
fassung von derselben keineswegs, wie die Tschechen und Polen 
es verlangten, einen staatsrechtlichen Charakter zubilligen woll* 
ten und nichts weniger als daran dachten, in der Autonomie der 
Länder nur eine Vorstufe künftiger föderalistischer Neugestal* 
tung des ganzen Staates zu sehen; vielmehr erblickten sie in ihr 
nur ein Mittel zur Einschränkung der Allgewalt der Zentral* 
behörden. Für die Deutschen Österreichs war und blieb die 
Autonomie in Land, Bezirk und Gemeinde Ausdruck der loka 
len Selbstverwaltung in beschränktem Ausmaße innerhalb des 
im übrigen nach ihrem Wunsche möglichst ausnahmslos streng 
zentralistisch regierten und daher in deutscher Sprache ver* 
walteten Einheitsstaates. 
3. Die österreichische Verfassungsgesetzgebung und das System 
der autonomen Verwaltung (1861 — 1867). 
Die Lösung dieses ganzen, äußerst schwierigen Problems 
erfolgte nun durch die vom Kaiser oktroyierte, also ohne Be* 
fragung oder Zustimmung der Völker verkündete neue Ver* 
fassung vom 26. Februar 1861, deren eigentlicher Schöpfer der 
neuernannte Staatsminister Anton von Schmerling, ein schon 
1848 bedeutend hervorgetretener, großdeutsch und liberal ge* 
sinnter Staatsmann, gewesen ist. Das Charakteristikum der in 
dieser Februarverfassung gegebenen Lösung lag darin, daß 
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