den Mann vertausch¬
te, ohne es sich neh¬
men zu lassen, den
Vertrag, wenn es
gefahrlos anging,
lächelnd zu brechen.
Die Geschichte der
Dame im Kriege, die
Geschichte dieser
schönen und müßi¬
gen Menschenblüte
großstädtischer Zivi¬
lisation ist freilich
nur ein kurzes Ka¬
pitel der Sittenge¬
schichte des Krieges,
und selbst das Ver¬
hältnis der Frauen¬
welt zum Kriege
wird nur zum ge¬
ringsten Teil durch
die Relation der
Dame zum großen
Völkerringen be¬
stimmt; der weit¬
aus überwiegende
Teil der Frauen
stand dem gewaltigen historischen Geschehnis ganz anders gegen¬
über als das bevorzugte Luxusweibchen der herrschenden Klasse. Und
dennoch wäre eine Sittengeschichte des Krieges ohne die Untersuchung
ihres damaligen moralischen Verhaltens unvollständig.
Ihre Unabhängigkeit von den Sorgen und Nöten des praktischen Lebens,
die sie mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem einzigen Manne
bezahlte, versetzte sie in die Lage, dem Massenmorden auf der Bühne des
großen Welttheaters gleichsam aus der Loge zuzuschauen. Und als lorgnon¬
bewehrte Zuschauerin hatte sie das prickelnde Gefühl, einer großen, in
diesem Ausmaße wohl noch nie erlebten Tragödie der Geschichte bei¬
zuwohnen, die nur ihretwegen veranstaltet würde. J ahrhundertelang
hatten es ihr Dichter vorgesungen, hatten ihr Männer die Überzeugung
beigebracht, daß der Zweck alles Geschehens nur der sei, dem Manne die
Wollust zu erkämpfen, die sie allein zu gewähren oder zu verweigern ver¬
mochte. Sie war sich ihrer Macht bewußt und im Kriege wurde nichts
Der Brief des Poilu: »Ich sehe Sie vor mir, wie Sie, jeder Zoll eine
Frau, in duftiger Mousseline einherschweben.«
Zeichnung von Ed. Touraine in »La Bäionnette«, 1915
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