Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Zweites Kapitel 
EROTIK UND TRIEBLEBEN BEI KRIEGSAUSBRUCH 
Die Hurrabegeisterung und ihr libidinöser Hintergrund — Abschwächung 
oder Steigerung des Geschlechtstriebes bei Kriegsausbruch? — Der Krieg 
im Lichte der Soziologie und der Psychoanalyse 
Keiner, der sie zu erleben verdammt war, wird sie jemals vergessen, 
jene Tage des entfesselten Kriegstauniels, da die Massen johlend die 
Straßen der Städte überfluteten, zu rasender Wut auf gestachelt, eine 
Bestie mit hunderttausend Pranken, bereit, sich auf einen niegesehenen 
Feind zu stürzen, Tod und Verderben über ihn zu bringen. »Sonderbar, 
sonderbar war jene Sommernacht; niemals war der Mensch kleiner ge¬ 
wesen, als damals im Sommer«, sang ein Dichter, dessen Augen sehend 
geblieben waren. 
Man erweist dem Pazifismus keinen guten Dienst, wenn man den Massen- 
paroxismus der ersten Kriegstage auf allzu praktische Motive zurückzu¬ 
führen sucht. Zweifellos waren unter den Tausendstimmigen, die in Paris 
den Marsch auf Berlin, in Berlin die Vernichtung Frankreichs, in Wien 
und Budapest den 
Tod Serbiens forderten, 
auch gedungene Brül¬ 
ler, bezahlte Agenten 
der Kriegspropaganda. 
Zweifellos wurde im 
Wirrwarr der antifeind¬ 
lichen Straßentumulte 
ausländisches Eigen¬ 
tum nicht nur zer¬ 
trümmert, sondern auch 
gestohlen. Zweifellos 
zogen mit den hurra¬ 
schreienden Scharen 
auch Jugendliche, in 
keinem Großstadtmob 
Zeichnung von M. Rodiguet in »Le Rire rouge«, 1917 
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