Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

zu überwachen. Geheim¬ 
prostituierte, die zum 
zweiten Male in ein 
Krankenhaus eingelie¬ 
fert wurden, mußten 
zwangsweise unter Kon¬ 
trolle gestellt werden. 
Sehr bekannt war das 
Krankenhaus in Lous- 
berg im Genter Gebiet 
in Belgien, das im Juni 
1917 Gegenstand eines 
nächtlichen Fliegeran¬ 
griffes wurde, in dessen Folge 800 Frauen ausbrachen und mit schwerer 
Mühe wieder zusammengetrieben werden mußten; von Wandt wissen wir, 
daß durchschnittlich 800 bis 1000, manchmal aber bis zu 1500 Frauen aller 
Jahrgänge mit Kindern in Lousberg untergebracht waren. Sie mußten 
Sandsäcke nähen (die für den Schützengrabenbau benötigt wurden) und er¬ 
hielten dafür auf Kosten der Stadt Gent zehn Pfennig Tagelohn22). Henel 
läßt über Lousberg einen belgischen Sergeanten dem Bürgermeister einer 
niederrheinischen Stadt erzählen: 
Wenn man die Geschichte des vergangenen Krieges schreibt, wird die 
Episode vom Genter Lousberg neben die größten Greuel aller Kriege zu 
stehen kommen. Wir ereifern uns über die Zerstörung der Reimser 
Kathedrale oder die Vernichtung der Löwener Bibliothek. Zugegeben, 
daß das Verluste am Kulturgut sind. Aber was bedeutet der Untergang 
immerhin toter Dinge gegenüber den entsetzlichen Verwüstungen, die 
der Militarismus in Lousberg angerichtet hat? Begangen an lebenden 
Seelen? Hier wurde eine Saat gelegt, die tausendfältig als Unkraut auf¬ 
gegangen ist und alles überwuchert, was eure Kultur an zarten Keimen 
trug. 
Die deutsche Etappenkommandantur hatte das Stift Lousberg nämlich 
als Zwangsinternat für geschlechtskranke Frauen eingerichtet. Man 
wollte vermeiden, daß die vielen Frauen und Mädchen, die sich aus der 
Not der Zeit heraus an deutsche Soldaten verkauften, empfangene Ge¬ 
schlechtskrankheiten weiterverbreiteten. Ich bin mit ihnen vollkommen 
einig, daß das an sich sehr löblich war. Aber nach Lousberg kamen 
nicht nur wirklich kranke Frauen und Dirnen, an denen moralisch nichts 
mehr zu verderben war, sondern jedes Weib, das irgendwie verdächtig 
war . . . Tausende von Frauen hat Lousberg in den vier deutschen 
Jahren gesehen, tausende davon gehörten nicht dorthin. Aber sie mußten 
dieselbe Behandlung über sich ergehen lassen wie die abgebrühtesten 
Im Wintergarten in Berlin werden Tänzerinnen engagiert 
Zeichnung von A. Miarko in »Fantasio«, 1915 
400
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.