Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Zwischen den eingeborenen Frauen, die die Not zur Preisgabe ihrer 
Körper trieb, und den Etappenmädchen, die sich in vollständiger wirt¬ 
schaftlicher Abhängigkeit von ihm befanden, verlief das Leben des 
Etappenoffiziers in feudaler Sorglosigkeit. Die Kosten seines Wohllebens 
bestritten die Frauen des Landes, das den Schauplatz für seine Etappen¬ 
tätigkeit abgab, und die Hilfsdienstmädchen. Über beiden hing ständig 
die Gefahr, geschlechtlich angesteckt und ihres Broterwerbs verlustig oder 
in eines der Frauenkrankenhäuser gesteckt zu werden. 
An dieser Stelle müssen wir dieser sehr charakteristischen Institution der 
Etappe gedenken. Solche Frauenkrankenhäuser, von den Soldaten »Maschi¬ 
nengewehr-Reparaturwerkstätten« genannt, wurden überall errichtet, 
wo Truppen standen, so natürlich auch in Belgien und Frankreich und 
nach dem westlichen auch im östlichen Etappengebiet. Sie müssen als von 
der Etappenprostitution unzertrennlich betrachtet werden und waren nur 
zu häufig die Endstation auf dem Leidenswege der unglücklichen Frauen, 
die man leichtfertig und hemmungslos nannte. Gegen die Einrichtung 
selbst ist weder vom militärischen noch vom hygienischen Standpunkte 
aus etwas einzuwenden. Die Art und Weise aber, wie sie in der Etappe 
geführt wurden, läßt diese Frauenkrankenhäuser als mit zu den Scheu߬ 
lichkeiten des Krieges ge¬ 
hörend erscheinen. In ihnen 
landeten alle Frauen, die 
in die Hand der deutschen 
Sittenpolizei fielen und der 
Untersuchung zugeführt 
werden sollten, also auch 
gesunde. Was die östliche 
Etappe anbelangt, so wurde 
zum Beispiel in Riga gleich 
nach dem Einzug der Deut¬ 
schen ein solches Dirnen¬ 
krankenhaus eingerichtet. 
Ungefähr ein Viertel der 
zur polizeiärztlichen Unter¬ 
suchung erscheinenden Per¬ 
sonen mußte in das Kran¬ 
kenhaus auf genommen wer¬ 
den. Die Kranken wurden 
in einer Nähstube oder mit 
Haus- und Feldarbeit be¬ 
schäftigt. Unter anderem 
wurden Wäsche und Kleider 
Soldat und Dirne 
Federzeichnung von Alfred Kubin 
Fritz Gurlitt-Verlag, Berlin 
398
	        
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