Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

für bekanntlich 
einen zweifelhaf¬ 
ten Ruf erworben. 
Aber die Möglich¬ 
keit, in Massen in 
Militärdienst zu 
treten, hatte für 
Frauen noch nicht 
bestanden. Die In¬ 
stitution des offi¬ 
ziellen weiblichen 
militärischen 
Funktionärs war 
etwas Neues. 
Untersuchen 
wir die Gründe, 
die so viele Frau¬ 
en, mehr als ihrer 
bedurft wurden, zur Meldung veranlaßten, so war es in erster Linie die 
Aussicht auf gute, reichliche Nahrung, das viele Geld — 160 bis 
200 Kronen im Monat —, aber sicher auch in vielen Fällen eine bewußte 
oder unbewußte Sucht nach Abenteuern, eine übermächtige Sehnsucht 
nach einer vagen Romantik, zumal der Natur der Sache nach sich die 
Militärverwaltung an jene Schichten der weiblichen Bevölkerung wen¬ 
den mußte, die über ein gewisses Minimum an Bildung verfügten. Das 
Tippfräulein, die Kontoristin, die Buchhalterin, diese brauchte das Ärar 
und nahm sich aus den Reihen des Proletariats, was es fand. 
Wie gestaltete sich das Schicksal einer k. u. k. Hilfskraft? Mit »Zehr¬ 
geld« beteilt, fuhr sie von Wien ab, irgendwohin, wo Krieg war. Nach 
Trient, nach Lemberg, nach Lublin, Belgrad oder Bukarest. Meist 
kümmerte sich niemand darum, wie sie an den Ort ihrer Bestimmung 
gelangte. Endlich an Ort und Stelle, mußte sie sich durchfragen, bis sie 
zum Generalstabschef kam und nach einer meist recht oberflächlichen 
Prüfung ihrer Kenntnisse wurde sie irgend einer Stelle zugeteilt. In 
Trient war zum Beispiel ein richtiger Sklavenmarkt für weibliche Hilfs¬ 
kräfte. In einem Schulsaale saßen sie mit ihren Köfferchen auf den 
Bänken und die »Herren«, die eine weibliche Hilfskraft brauchten, 
kamen, sich eine auszuwählen. Wer da herkam, wußte: das Geschöpf, 
das du dir mitnimmst, ist dir rettungslos und hilflos ausgeliefert. Das 
war eine Machtvollkommenheit, die das Verantwortlichkeitsgefühl der 
meisten Menschen, in deren Händen sie gelegt wurde, überstieg. Die 
Militärgouvernements hatten den größten Bedarf an weiblichen Hilfs¬ 
Fest deutscher Soldaten in Flandern 
Das Auftreten der Schuhplattler 
Photographische Aufnahme 
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