Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Dieselbe Verfasserin, die die Kriegsjahre selbst als Vorsteherin eines 
Hilfsdienstmädchenheims in der französischen Etappe mitmachte, schreibt 
in einem kleinen Aufsatz: 
Zwar wurden auf jeder Etappeninspektion genaue Listen über das 
Betragen der einzelnen geführt; aber wenn man ihnen auch mit so¬ 
fortiger Entlassung drohte, so wußten sie doch viel zu genau, daß es 
nur bei der leeren Drohung blieb, im Grunde war man viel zu sehr auf 
ihre Arbeitskraft angewiesen, sie hatten meist einen starken Rückhalt 
an ihrer Dienststelle, die ihre Arbeitskraft um jeden Preis zu halten 
suchte, und diesen günstigen Umstand nutzten sie nach Möglichkeit aus. 
Es wäre auch völlig vergeblich gewesen, die Mädchen zu einer 
besseren Einsicht bringen zu wollen. Sie waren von einem Leichtsinn 
und einer Unverwüstlichkeit, die machmal direkt großzügig wirkten. 
Sie waren es auch, die den schlechten Ruf des Etappenmädels schufen, 4 
der alsbald im Reiche entstand, und den man glaubte, auf jedes weib¬ 
liche Wesen übertragen zu müssen, das in der Etappe war. Gibt es doch 
solche Mädchen in jeder Großstadt, wo man sie als etwas Selbstver¬ 
ständliches in Kauf nimmt und wo sie im Strudel der Allgemeinheit 
verschwinden, da niemand Zeit hat, sich besonders um sie zu kümmern. 
Aber hier draußen in ihrer exponierten Stellung verfolgte man jede 
ihrer Bewegungen mit tausend Augen des Neides und des Hasses. Sie 
waren diejenigen, die den Frontsoldaten erbitterten, wenn er zu Tode 
erschöpft vom Schützengraben in Ruhe kam, an ihnen bildete auch die 
Französin ihr schnelles und abfälliges 
Urteil über das deutsche Mädchen13). 
Tatsächlich ist es einer der abscheulich¬ 
sten Auswüchse der Etappe, daß sich die 
dort ansässigen Offiziere sexuell frei aus¬ 
toben konnten, während der gewöhnliche 
Frontsoldat, der sich auf dem Wege von 
oder nach der Front vorübergehend in der 4 
Etappenstadt aufhielt, des ersehnten Lie- 
besgenusses nicht oder nur in den uns be¬ 
kannten abstoßenden Formen teilhaftig 
wurde. Perhobstler erzählt: 
Wir waren Frontschweine, das merk¬ 
ten wir besonders, als wir in die Etappe 
kamen. Wir wurden in schlechtere Quar¬ 
tiere als Etappengefreite und -Unteroffi¬ 
ziere gesteckt und von den geschniegel¬ 
ten Offiziersdächsen der Etappe, die oft 
in blitzblanker Friedensuniform umher- 
affretterä laUiftoria! 
Italienische Postkarte zur Warnung 
vor Spionen 
Sammlung A. Wolff, Leipzig 
386
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.