Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

schlechtsverkehrs insbesondere für die Frau, deren Sexualität ja gerade 
das Eigentum des Mannes und die Tauschware für die Bestreitung ihres 
Lebensunterhaltes darstellt, und die Schaffung eines Sicherheitsventils 
für den als unbezwingbar bezeichneten Geschlechtstrieb des Mannes in 
der Prostitution. 
Diese »patriarchalische« Moral des Bürgertums, der der wehrhafte 
Citoyen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Revolutionsjahr 1848 
bewaffnet zum Siege verhalf, gilt für den Nachfolger des Citoyens, den 
modernen Bourgeois nicht mehr. Durch die Entwicklung des Kapitalis- 
Psychoanalytische Zeichnung aus einem Sonderheft der Zeitschrift »Le Disque Vert« 
mus infolge der uneingeschränkten Konkurrenz und des ungeahnten Auf¬ 
schwungs der Technik wird einerseits das Kleinbürgertum, der eigentliche 
Träger der bürgerlichen Moral, in großem Ausmaße proletarisiert, ander¬ 
seits erwächst für eine kleine Klasse der Großkapitalisten, der Trust¬ 
magnaten und Wirtschaftspotentaten schon um das Ende des 19. Jahr¬ 
hunderts die materielle Möglichkeit eines Luxus, ein Überfluß, der die 
Dämme der primitiven Citoyenmoral fortschwemmt. Die Revision wird 
theoretisch vor dem Kriege vollzogen und durch den Krieg fortgesetzt 
und zu Ende geführt. Somit beschleunigt der Krieg einen schon früher, 
allenfalls seit Beginn unseres Jahrhunderts währenden Prozeß. Der Kriegs¬ 
ausbruch fällt in eine von schwülen Erwartungen erfüllte Zeit, die die 
alten Werte zum Teil schon vernichtet, zum Teil das Todesurteil über sie 
gefällt hat und reif für das große Kataklysma des Weltkrieges ist. 
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