Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

der Kasernensprache die Bezeichnung »Schwanzparade« führte. Unter¬ 
suchungen auf Geschlechtskrankheit fanden in allen Heeren zwei- oder 
dreimal wöchentlich statt, obwohl schon Oberstabsarzt v. Töply8) die 
periodische Massenuntersuchung auch im Kriege für »recht irrelevant« 
erklärt hatte. Ob diese Maßnahmen hygienisch begründet oder zwecklos 
gewesen waren, sei dahingestellt. Jedenfalls gehört die berüchtigte 
»Schwanzparade« zu den geschmacklosesten, jedem besseren Gefühl hohn¬ 
sprechenden Erfindungen des militärischen Geistes und die Formen, unter 
denen sie stattfand, lassen sie noch mehr als eine Einrichtung von ver¬ 
rohender Wirkung erscheinen. Infanterist Perhobstler erzählt darüber9): 
. . . Am nächsten Morgen war Exerzieren hinter den Schlacken¬ 
halden. 
Danach war »Schwanzparade«. 
»Ich habe kein bißchen Saft mehr für mich, da soll auch noch etwas 
für eine Dirne übrig sein!« 
»Sie sollen die Etappenschweine visitieren, die in den Bordellen 
Stammgast sind!« 
So und noch ganz anders schimpften die Leute. 
Der Stabsarzt wurde grob, wenn einer beim Antreten seine Sache nicht 
richtig machte. 
Der Sanitätsunteroffizier schnarrte: »Vorhaut besser zurück. Es geht 
doch sonst so gut!« 
Ich drückte mich um diesen Akt. Ich hätte mich schon selbst gemel¬ 
det, wenn mir so etwas passiert wäre. Es 
wurde auch bei der Visitation wie bei den 
vielen anderen, die ich mitmachte, kein 
Mann gefunden, der krank war. Krank 
wurde ja wohl mancher, aber sie meldeten 
sich alle rechtzeitig. Mancher, das heißt 
von den vielen Soldaten. Von dieser Kom¬ 
pagnie nur einmal einer, so lange ich dabei 
war. Auch der hat sich rechtzeitig von 
selbst gemeldet. 
Eine erzieherische Wirkung ist dieser Ein¬ 
richtung freilich nicht abzusprechen. Wir 
lassen hier wörtlich die Aufzeichnung eines 
jungen Soldaten aus seinem uns zur Ver¬ 
fügung gestellten Kriegstagebuch folgen: 
Oktober 1915. Gesundheits¬ 
durchsicht. Bei einigen Soldaten fand 
der Sanitätsfeldwebel unter der Vorhaut 
sogenannte Smegma (schleimige Feuchtig¬ 
Shn Scherenfernrohr 
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Da ist er jd 1 
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und doch so nah*. 
Scherzpostkarte aus der Kriegszeit 
Sammlung A. Wolff, Leipzig 
15* 
227
	        
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