Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

leine, deren Gestalten fast stets einen perversen Einschlag zeigen. Hier 
wurde dann in unerfahrenen jugendlichen Gemütern schwer gewüstet. 
Die täglichen Gespräche der Mannschaften, die sich in erotischen Bahnen 
bewegten, wirkten längst nicht so verderblich. Sie weckten wohl das Be¬ 
gehren nach dem Weibe. Aber dieses ging in geraden, natürlichen Wegen 
auf das Ziel los: es erstrebte einfach den Liebesgenuß. Anders dagegen 
die Madeleineschen Frauengestalten. Da diese alle hysterisch angekrän¬ 
kelt waren und ihnen meist ein perverses Triebleben innewohnte — ich 
erinnere mich eines sehr interessanten Gespräches in Kameraden¬ 
kreisen über »Die Kleider der Herzogin« —, so ergab es sich nicht 
selten, daß diese erotischen Erzeugnisse der Dichtung junge Gemüter 
vergifteten, ehe sie überhaupt zu einem wirklichen sexuellen Erlebnis 
vorgeschritten waren. Und wegen dieser Gefahr der Madeleineschen 
Erzeugnisse, wie Gift auf junge, heißblütige, sexuell wache und erregte 
Menschen zu wirken, möchte ich fast von einer Schuld der Marie Made¬ 
leine an der Volksseele sprechen15). 
Daß die erotisch erhitzte Phantasie der unbefriedigten Männer, von 
denen viele noch überhaupt niemals eines 
Feldpostkarte 
Sammlung A. Gaspar, Wien 
Liebesgenusses teilhaftig ge¬ 
worden waren, sich in eroti¬ 
schen Träumen Luft machte, 
muß dem auch nur im min¬ 
desten psychoanalytisch ori¬ 
entierten Leser begreiflich 
Vorkommen. Unzählige 
Kriegstagebücher, Aufzeich¬ 
nungen und Werke der 
Kriegsliteratur erzählen uns, 
die Träume der Kom¬ 
battanten durchwegs libidi- 
Von einer Subli¬ 
mierung des Geschlechtstrie¬ 
bes oder Idealisierung der 
kann, wenn in diesen 
Träumen der innere Mensch 
zum Ausdruck kommt, hier 
so wenig die Rede sein, wie 
in den Schützengrabenge¬ 
sprächen, den Soldatenlie¬ 
dern und -witzen, die das Ge¬ 
schlechtliche betreffen. Im 
Traume wie im Wachsein 
zeigte die quälende Sexual- 
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