Sechstes Kapitel
SCHÜTZENGRABENEROTIK
Diskussion über die Unschädlichkeit der Abstinenz — Stahlbad der
Nerven? — Liebesgaben, Feldpostbriefe und die Sitte der Marrainen —
Die Wege der Ersatzbefriedigung: Onanie, erotische Lieder, obszöne
Bilder und Gegenstände, pornographische Lektüre9 Träume — Täto¬
wierung — Die Analerotik der Soldaten — Sodomie — Enthaltsamkeits¬
folgen: Das Erlöschen des Geschlechtstriebes
Daß der Krieg anfangs vielen als Weg zur erotischen Befreiung, zum
ungehemmten Ausleben der Sinnlichkeit erscheinen konnte, weist auf
einen der zahlreichen Irrtümer hin, die auf völliger Unkenntnis der
modernen Kriegführung beruhten. Hätte man sich vergegenwärtigen
können, was der Stellungskrieg bedeute, so wäre der Menschheit wenig¬
stens diese Illusion und die
Enttäuschung, die sich in
ihrer Folge notgedrungen
einstellen mußte, erspart
geblieben. Statt dessen
stoßen wir hier wie überall
auf jene erschreckende
Ahnungslosigkeit, mit der
die Menschheit auf ihre bis
jetzt größte Katastrophe
lossteuerte. Es mußte der
Krieg in seiner ganzen
furchtbaren Wirklichkeit
kommen, um den hochge¬
spannten Erwartungen die
tragikomisch geringe Ent¬
ladungsmöglichkeit ent¬
gegenzuhalten.
Mit der erotischen Frei¬
heit erging es den meisten
Das pornographische Bild im Schützengraben
Zeichnung von Gedö
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