Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Menschheitsgeschichte. »Wie das Eigentum den Diebstahl geschaffen hat, 
schuf es auch den Krieg8) . . .« Und »echte Kriege begannen . . . erst, 
wo die Kultur zu echter Besitzaufspeicherung geführt hatte. Dem¬ 
entsprechend treffen wir Kriege unter Tieren eigentlich nur bei den 
Ameisen und Bienen — um Honig und Wohnung und Vorräte. Um ähn¬ 
liche Dinge kämpft auch der Mensch9).« Wie sehr aber gerade der Kapita¬ 
lismus seiner Struktur nach mit dem Kriege zusammenhängt, geht aus 
Werken auch nichtmarxistischer Autoren mit voller Deutlichkeit hervor. 
Um bei dieser Frage nicht länger verweilen zu müssen, verweisen wir 
auf Werke wie Werner Sombarts »Krieg und Kapitalismus«. Uns genügt 
an dieser Stelle ein Beispiel: Der Kapitalismus ist jene Wirtschafts¬ 
ordnung, die nicht unmittelbar für den Verbraucher, sondern für den 
Markt produziert. Der streng organisierten Produktion des industriellen 
Kapitalismus steht der Verbrauch als X, als unbekannte Größe gegenüber. 
Dadurch entsteht immer periodisch, in regelmäßig wiederkehrenden Zeit¬ 
abschnitten ein Warenüberfluß, der die in einem Staate organisierte 
kapitalistische Gesellschaft mit unweigerlichem Zwang nötigt, einen neuen 
Absatzmarkt zu finden. Dieser Absatzmarkt aber kann nur außerhalb der 
Grenzen des eigenen Staates gesucht werden und diese einfache Formel 
gibt uns den Schlüssel zum Verständnis nicht bloß aller Krisen und 
Kriege der kapitalistischen Neuzeit, sondern auch der mehr oder minder 
stets in Kriege mündenden Kolonialpolitik. 
Der historische Materialismus gehört bekanntlich zu den meist be¬ 
fehdeten Theorien, die modernes wissenschaftliches Denken der Mensch¬ 
heit beschert hat. Diese Ablehnung 
erklärt sich noch immer zum größten 
Teil aus jenem Mißverständnis, vor 
dem die Begründer der Theorie 
selbst gewarnt haben. Niemals wurde 
von der materialistischen Geschichts¬ 
auffassung behauptet, daß die Kennt¬ 
nis der wirtschaftlichen Struktur 
einer historischen Epoche genüge, 
die Ereignisse des betreffenden Zeit¬ 
alters restlos zu erklären, da ja in 
diesem Falle die Anwendung der 
Theorie leichter als die einer mathe¬ 
matischen Formel wäre. Im Gegen¬ 
teil kommt auch den bewußt-indivi¬ 
duellen Bestrebungen der Menschen, 
die sich handelnd an einem histori¬ 
schen Ereignis beteiligen, eine keines- 
»Wo kommt denn diese bewaffnete Bande her? 
Wir wollen flüchten!« 
Zeichnung von H. Daumier 
XVII
	        
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