Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

schlechthin dem wirtschaftlichen Elend zu¬ 
zuschreiben. So kann die verhängnisvolle 
Wirkung des Krieges auch hier nicht ver¬ 
schleiert werden, ist doch die wirtschaft¬ 
liche Not ihrerseits eine natürliche Folge 
des mit Hungerblockade und ins Phantasti¬ 
sche gesteigerter Kriegsstoffproduktion 
arbeitenden Krieges. Am betrüblichsten 
und empörendsten aber wirkt das voll¬ 
kommene Unverständnis, mit dem die 
Kriegsmentalität in allen Ländern — viel¬ 
leicht nur Frankreich, und auch dieses nur 
zum Teile, ausgenommen — diesen »Fehl¬ 
tritten« der Krieger fr au, der Märtyrerin 
des Männerkrieges, gegenübersteht. Anstatt 
sie als logische Folgeerscheinung des Krie¬ 
ges aufzufassen und zu entschuldigen, legt 
man an sie den Maßstab einer auf normale 
Verhältnisse zugeschnittenen engherzigen 
Moral: nur wenige konnten selbst jenes 
Minimalmaß von Verständnis auf bringen, das sich in einem Resüme 
des schon erwähnten Stabsarztes Fraenkel über die Kriegerfrau 
ausdrückt : 
Sie leiden schlimm und kämpfen mit sich. Wenn sie entgleisen, so 
ist das entsetzlich für sie, die Ehe, die Moral, die Wahrhaftigkeit und 
eventuell für die Gesundheit. Beherrschen sie sich, so ist ihre Brauch¬ 
barkeit, ihre Ruhe, nicht zuletzt ihre Gesundheit temporär entwertet. 
W enn wir die 
Frau auf ihrem im 
Kriege zurückgeleg¬ 
ten Leidensweg be¬ 
gleitet haben, kann 
es uns nicht über¬ 
raschen, daß sich 
die ernstgemeinte 
kriegsgegnerische 
Propaganda der 
Nachkriegsjahre im¬ 
mer wieder an die 
Frau wendet, be¬ 
strebt, aus ihren 
noch unvergessenen 
Kriegstrauung 
Farbige Kitschpostkarte aus der Sammlung A. Wolff, Leipzig 
'toUrAjJimck'riege 
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n-nd . 
Not und Verwahrlosung 
Kriegspostkarten können mitunter 
auch die Wahrheit sagen 
Sammlung A. Wolff, Leipzig 
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