Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

(Fall 13.) Frau K. K., 33 Jahre alt, seit fünf Jahren verheiratet. 
Mann steht im Feld. Seit August 1914. Vor neun Wochen kam er auf 
Urlaub. Als er wieder fort mußte, hat P. sehr gejammert. Einige 
Wochen später begann sie plötzlich verwirrt zu reden, worauf sie in 
die Irrenanstalt eingewiesen wurde. 
P. gibt uns folgende Antworten: . . . »Zu Hause bin ich nicht, wo 
ich sonst bin, weiß ich nicht, ich soll ein Stern sein, die Sonne sein, 
ich sollte leben bleiben, ich hätte Verschiedenes angestellt, das ist 
nicht wahr, das konnte ich nicht ertragen. (Was haben Sie angestellt?) 
Ich hätte jemanden betrogen, ich hätte Verschiedenes auf geschrieben, 
was ich nicht erhalten habe, es war nicht ganz meine Schuld, aber ich 
habe manches gefehlt. (Wieso?) Ich habe sonst nichts getan. (Hat 
man Ihnen was Schlimmes nachgeredet?) Ja, sehr viel, ich würde nicht 
bezahlen. (Wer sagte das?) Von wo es ausgegangen ist, weiß ich nicht, 
auch deshalb kann ich es nicht sagen. (Was glauben Sie, wer Ihnen 
etwas nachgeredet hat?) Die Menschen im allgemeinen. Es ist ein 
Hausmädchen in der L . . . Straße, ob sie ganz allein schuld ist, weiß 
ich nicht. (Wer kommt noch in Betracht?) F. J . . ., auch ein Haus¬ 
mädchen. (Sind Sie nicht 
mehr aus dem Haus ge¬ 
gangen?) Nein, es war mir 
zu schwer, ich wurde 
krank (lacht), es hätte 
mir gepaßt, ich erschreck’ 
bei allem, und da ich 
keine Hilfe fand, mußte 
ich selbst allein bleiben, 
ich war allein mit meinen 
Kindern. Mein Mann 
mußte ins Feld. (Wovor 
erschrecken Sie?) Vor all 
dem Schrecklichen, was 
nun gekommen ist, auch 
das soll Gott tilgen, daß 
wir glücklich leben kön¬ 
nen, alle zusammen. Es 
hat mir gegraut — (Wo¬ 
vor hat Ihnen gegraut?) 
Ich glaubte, meine Mutter 
sei nicht da, und dann 
fühlte ich, daß sie meine 
Schuld wüßte, ich mußte 
Die Geschlechtsnot der Kriegerfrau in der Karikatur 
»Erinnerung an seinen Fronturlaub« 
Zeichnung von H. Gerbault in »Fantasio«, 1916 
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