Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

sehen gesetzt, das Bestehen 
der Gesellschaft zuvörderst 
ermöglichen. Denn die Ge¬ 
sellschaft könnte sowohl der 
Formeln der Moral wie des 
Rechts entraten, wirkten 
im einzelnen Menschen 
nicht gesellschaftsfeindliche, 
antisoziale oder wenigstens 
in einem bestimmten Sta¬ 
dium der sozialen Entwick¬ 
lung antisozial gerichtete 
Instinkte, deren Unter¬ 
drückung und Verdrängung 
zum Vorteile der Gesell¬ 
schaft unerläßlich ist, oder 
wäre es dem Recht oder 
der Moral in einem ge¬ 
gebenen Stadium der Ge¬ 
schichte gelungen, den ge¬ 
sellschaftlichen Idealzustand der restlos eingedämmten (man könnte sagen 
vergesellschafteten) Instinkte herzustellen. 
Die allgemeinsten unter den menschlichen Instinkten sind der Selbst- 
erhaltungs- und der Fortpflanzungstrieb oder um uns der vielgeschmäh¬ 
ten, neuerlich von Spengler1) verhöhnten Formel zu bedienen: Hunger 
und Liebe. Die Staats- und Rechtsgeschichte der Menschheit sowie 
auch ihre Sittengeschichte erschöpft sich in der Feststellung, welche 
Äußerungen der beiden Grundtriebe in den verschiedenen Zeiten als 
gemeinschaftsgefährlich unterdrückt, welche unter bestimmten Formen 
erlaubt und welche weder durch Recht noch durch Moral geregelt wurden. 
Denn sowohl Recht wie Moral haben die Aufgabe, die historisch 
immer verrück baren Grenzen dieser drei Kategorien 
für den gegebenen Augenblick der Geschichte zu 
ziehen. 
Der Selbsterhaltungstrieb macht sich hauptsächlich innerhalb 
des Rahmens der herrschenden Wirtschaftsordnung geltend und die 
Regelung des menschlichen Verhaltens durch das Recht schmiegt sich 
infolge des Primats des wirtschaftlichen Faktors (von dem noch zu 
sprechen sein wird) eng den Erfordernissen der Wirtschaftsordnung am 
Dieser enge Zusammenhang des Selbsterhaltungstriebes und seiner Äuße¬ 
rungen mit der wirtschaftlichen Struktur der Gesellschaft wird von Marx 
so gefaßt, daß die Eigentumsverhältnisse bloß der juristische Ausdruck 
^ftOPE 
Das europäische Gleichgewicht 
Zeichnung von H. Daumier 
VIII
	        
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