Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

gewesen, deutsche Männer hätten ihren ausgeschämten Frauen und 
Töchtern die schamlosen französischen Moden vom Leibe gerissen, 
die Pariser Lappen, womit sie ihren Leib und ihre Lüsternheit nicht ver¬ 
hüllen, sondern zur Schau tragen. Gut: in Trauerkleidern sollt ihr mir 
gehen, jahrelang und mit Tränensalz will ich die Schminke von eueren 
blassen Wangen wischen!« Die Voraussage dieses Klerikers über den 
Tränenstrom, dessen Schleusen jahrelang offenstehen sollten, ist in 
Erfüllung gegangen. Unerfüllt jedoch blieb der Wunsch, der die Über¬ 
tragung der für »richtig« befundenen franzosenfeindlichen Ausschreitun¬ 
gen auf das Gebiet der Frauenmode betraf. Offenbar hatten die größten¬ 
teils eingezogenen Männer Wichtigeres zu tun als ihren Frauen die Kleider 
vom Leibe zu reißen. (Das taten sie höchstens in der Etappe!) Der 
Widerstand gegen die unsittliche Kleidermode wurde in Deutschland mit 
großer Energie organisiert und so manche Sittlichkeitsapostel schmeichel¬ 
ten sich damit, ihn zu einer Volksbewegung erweitern zu können. 
Auch in den Ententestaaten fehlte es nicht an ähnlichen Protesten. In 
seinem erwähnten Buche schreibt Grabinski21), daß ein Mitarbeiter 
der in Florenz erscheinenden »Unitä cattolica« in scharfer Weise gegen 
»die Unverschämtheit der 
Mode in gegenwärtigen 
Zeiten« Stellung nimmt 
und sagt: »Italienische 
Frauen und Fräulein, 
Mütter und Töchter aller 
Stände, von der Bäuerin 
bis zur vornehmsten 
Stadtdame, scheinen sich 
nicht im geringsten um 
Erdbeben, Krieg und der¬ 
lei Kleinigkeiten zu küm¬ 
mern. Der entblößte Bu¬ 
sen scheint das Haupter¬ 
fordernis eines modernen 
Kriegskleides zu sein und 
die Ausstellung der kör¬ 
perlichen Nacktheit ist 
das charakteristische Zei¬ 
chen einer Zeit, in der 
Italiens Söhne draußen 
auf dem Schlachtfelde ver- 
Madelaine ohne Pariser Mode l i . in • . l 
T7 i . lt ...... , , ^ u , bluten. Es ist ein scham- 
»Ligentlich gar nicht so übel, diese neue deutsche Tracht!« 
Kriegsflugblatt der »Liller Kriegszeitung« loS0S, ordl 11 il 1*0 S. d011 
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