Aeltere Schneegrenzbestimmungen.
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Schneegrenze in den Tauern nicht über 2800 m liegen kann, aber weiter
noch, dass sie unter 2700 m etwa bei 2600 m liegen muss; denn
läge sie bei 2700 m, so wären 5 /g des Gletschers unter der Schneelinie
und sein Dasein wäre unerklärlich. Von dieser Bemessung wird mich
auch der Umstand nicht abbringen, dass Kahre von 2700 m Umrahmung
keine Gletscher mehr bergen. Denn mögen auch 100 m des steilen
Randes über die Schneegrenze hinauf ragen, so wird sich doch im Kahr
selbst, das ja unter der Schneelinie liegt, kein Gletscher mehr bilden.
Ich schliesse daher gerade aus den Verhältnissen des Gstösskeeses
(allerdings noch mehr aus denen seiner weniger steilen Nachbarn Kessel
kahr und Tischlerkahr), dass die Schneegrenze in diesem Teil der Tauern
tiefer als 2700 m, vielleicht sogar unter 2600 m verlaufe. (Siehe Fig. 2.)
Es ist einleuchtend, dass ganze Gebirgskämme von grösserer Aus
dehnung in die Schneeregion aufragen können, ohne dass sich Gletscher
an ihnen bilden, wenn eben alle flachen Terrassen der Gehänge bereits
unter derselben sich befinden. Hierher gehört das allbekannte Beispiel
der Tatra.
Der Unterschied meiner Auffassung von der Brückners besteht
also in solchen Fällen darin, dass ich an Stelle der Gipfel die wenig
geneigten Stellen der Mulden in Rechnung ziehe. Es versteht sich,
dass dabei auch die orographische Begünstigung des Neigungswinkels
bei Nordlage nicht übersehen werden darf.
Brückner wendet übrigens mehrfach seinen Satz (mit Partsch)
in demselben Sinne an wie ich. Er sagt auf Seite 47: Der eiszeitliche
Hinterseer Gletscher habe eine Umrahmung von nur 1436 m mittlerer
Kammhöhe besessen. „Es muss also naturgemäss die Schneegrenze sehr
wesentlich tiefer als 1436 m gelegen haben.“ Aus anderen Ver
hältnissen berechnet er sie dann auf 1200 m. Ebenso folgert Partsch
aus der Beobachtung Simonys, dass an dem 1169m hohen Drachen
stein und dem 1328 m hohen Schober sich in der Eiszeit Gletscher
gebildet haben, dass die Schneegrenze unter 1000m gelegen habe
(Die Gletscher d. Vorzeit, S. 175). Beide Male wird also nicht bloss ge
schlossen, dass die Schneelinie nicht höher liegen konnte ^als der soge
nannte obere Grenzwert, sondern dass sie „sehr wesentlich tiefer“ liegen
müsse, was eben auch meine Ansicht ist.
5. Aeltere Sclmeegrenzbestimmimgen und ihre Methode.
Es war mir eine sehr interessante Entdeckung, als ich bei der
Lektüre von H. B. de Saussures Reisen fand, dass die Schneegrenz
bestimmung dieses ausserordentlichen Beobachters, der als Erster kam
und doch fast alles richtig gesehen hat, auf einer ähnlichen Vergleichung
der noch vergletscherten mit den nicht mehr vergletscherten Gebieten
beruht. Er findet, dass, abgesehen von den primären Gletschern,
die Schneebedeckung der weit in die Schneegrenze aufragenden
Berge — also besonders des Montblancstockes — bis 1300 Toisen
= 2534 m herabreiche. Hingegen werden einzelstehende Berge, deren
Gipfel 1400 Toisen = 2728 m nicht übersteigen, stets schneefrei