Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

Schneegrenze bei Kahrgletschern. 
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mehr der Fall ist, wird allerdings nicht leicht sein. Man könnte ja 
verbuchen, dafür ein bestimmtes, in Zahlen ausgedrücktes Verhältnis 
aufzustellen, indem für den Neigungswinkel und die‘Höhe der Um 
rahmung ein Maximal-, für den Flächenraum ein Minimalwert aufgesucht 
würde, bei welchem noch ein Schluss auf die klimatische Schneegrenze 
gestattet sein sollte. Ich will es aber lieber unterlassen und auf den 
beliebten Aufputz mathematischer Formeln verzichten, um nicht da den 
Schein der Exaktheit hervorzurufen, wo eine solche nicht vorhanden 
sein kann. Nur das sorgfältige Betrachten der Einzelfälle wird zu ver 
lässlichen Resultaten führen. 
Ist die Kahrform so ausgesprochen, d. h. stehen sich die Wände 
der Umrahmung so nahe, dass die Beschattung auch im Sommer überall 
hin sich bemerklicli macht, und die Lawinen bis weit ins Innere des 
Kahres gelangen können, so wird die Höhenlage der Schneeansammlung 
nur zur Vergleichung mit den Verhältnissen anderer Gruppen, nicht 
zu einer absoluten Feststellung verwendbar sein. Wir finden 
nämlich in verschiedenen Gruppen der Ostalpen thatsächlich in dieser 
Richtung grosse Verschiedenheiten. Kahre von gewisser Höhe sind in 
einzelnen Gruppen trotz der orographischen Begünstigung, die sie ge 
währen, schneefrei, in anderen mit Schnee erfüllt. Hat man bei einer 
Gruppe auch Anhaltspunkte für die absolute Höhe der klimatischen 
Schneeregion, so wird sich aus obigem Verhältnis ein wertvoller Finger 
zeig ergeben. Wenn im Durchschnitt die verschneiten Kahre — mit 
orographischer Begünstigung — in einer Gruppe schon bei Bergen 
von 2800 m, in einer anderen erst bei 8000 m sich einstellen, so deutet 
dies allerdings auf eine Verschiedenheit der Höhe der Schneelinie um 
einen ähnlichen Betrag hin; eine Zahl für die Höhe der klimatischen 
Schneelinie daraus abzuleiten möchte ich aber nicht wagen 1 ). 
Die Mehrzahl auch der kleinen Gletscher dürfte aber so be 
schaffen sein, dass ihr Bestand doch nicht ausschliesslich auf die oro- 
graphische Begünstigung zurückgeführt werden kann. Sie wird man 
also auch zur Bestimmung der Schneegrenze heranziehen können. 
Es ist ein allgemein gültiges Gesetz der Formbildung der Gneis 
alpen, dass die grösste Steilheit sich in der Nähe der Schneiden und 
Kämme einstellt. Die Umrahmung der meisten Kahre wird daher 
wegen zu grosser Steilheit schneefrei, d. h. der auf die letzten zuge 
schärften Hänge fallende Schnee wird durch Wind und Lawinen von 
hier entfernt und in die Tiefe gebracht. Dort, am Fusse der Wände, 
sammeln sich die Massen an. Ragt nun der Kamm oder Gipfel 
in die klimatische Schneegrenze, so wird sich die Ansammlung doch 
nur dann zu grösserer Bedeutung, also zu einem wirklichen Gletscher, 
entwickeln können, wenn auch noch der Platz der Ansammlung am 
9 Wenn Partscli (Gletscher cl. Vorz., S. 7) sagt: „Perennierende Schnee- 
anhäufungen am Fuss^e steiler, schneefreier Berghänge, welche die Schneegrenze 
um 200 bis 400 m überragen, liegen bei einer der Sonnenwirkung nicht unerreich 
baren Lage nur 100 bis 200 m — nirgends 800 m — tiefer als die Schneegrenze 
in dem betreffenden Gebirgsabschnitt,“ so muss ich gestehen, dass ich die Ver 
hältnisse bei verschiedenen Gebirgsfonnen doch zu abweichend gefunden habe, 
um einen allgemeinen Satz auszusprechen.
	        
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