Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

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Bouguer und Renou. 
bare Schätzung oder durch Vergleichung der eben noch und eben nicht 
mehr vergletscherten Höhen, und fügt eine dritte hinzu, welche er 
zuerst angewendet habe. Diese Aufzählung ist aber nicht erschöpfend. 
Es sind noch verschiedene andere Methoden gebraucht worden, die 
hier nicht unerwähnt bleiben können. 
So verdanken wir einige Angaben, welche wohl die ältesten sind, 
die wir kennen, dem Versuche, mit Hilfe meteorologischer Daten 
die Höhe der Schneelinie zu berechnen, oder durch ein überall gültiges 
Verhältnis von Temperatur und Schneegrenze zu ermitteln. Nach Hum 
boldt (Centralasien II, 160) hat der Physiker Bouguer, welcher 1786 
bis 1742 mit La Condamine bei der französischen Gradmessung in Peru 
beschäftigt war, zuerst die Aufmerksamkeit der europäischen Naturfor 
scher auf das gelenkt, „was er die untere und obere Grenze des Schnees 
nennt“. Er setzte voraus, dass diese Linie mit einer Isotherme Zu 
sammenfalle und zwar mit der von 0°; und weiters, dass sie jenseits 
der Polarkreise die Erdoberfläche berühren müsse. Danach konstruierte 
er theoretisch die Höhe der Schneelinie für Frankreich mit 15—1600 
Toisen (2923—3118 m). Schon Saussure (Voyages, § 937 u. ff.) wendet 
sich gegen diese Zahlen, welche viel zu hoch seien, und Humboldt 
(Centralasien II., 149) bekämpft ebenfalls die Ansicht, dass die Schnee 
linie irgend einer Jahresisotherme entspräche. Ich kann aber nicht 
finden, dass er in dem mir vorliegenden eben erwähnten Abschnitt von 
„Centralasien“ die Ansicht ausspräche, es falle die Isotherme der mitt 
leren Sommertemperatmv von 0° mit der Schneelinie zusammen. Eben 
sowenig konnte ich bei L. v. Buch diese Ansicht entdecken (Schneegrenze 
in Norwegen). Beide sprechen gegen Jahresisothermen und weisen 
darauf hin, dass für die Schneeschmelzung die Sommertemperatur wich 
tig, die Wintertemperatur aber für das ganze Gletscherphänomen gleich 
gültig sei. Es wird also beiden von Renou, Ch. Grad (Comptes rend. 1873, I, 
S. 780), und danach von mehreren anderen jene Ansicht mit Unrecht 
zugeschrieben. 
Renou (Comptes rend. 58 [1864, I.], S. 370) hingegen hat ganz 
entschieden den Gedanken ausgesprochen, dass die Schneegrenze dort 
verlaufe, wo die Temperatur der wärmeren Jahreshälfte im Mittel 0° be 
trage. Der einfache Gedankengang, der ihn dahin geführt hat, ist fol 
gender: In unserem Klima liegt während einer Hälfte des Jahres die 
augenblickliche Schneegrenze tief im Thal; in der anderen Hälfte weicht 
sie allmählich zurück, und dort, bis wohin sie im Mittel zurückweicht, 
wird sich die Grenze der dauernden Schneeansammlungen finden; das 
wird aber eben da sein, wo das Mittel der Temperaturen dieser wär 
meren Jahreshälfte unter 0° herabsinkt. 
Diese Ansicht hat aber mit Recht keinen Anklang gefunden, und 
je mehr Daten wir über die Temperaturen verschiedener Erdräume er 
halten, um so mehr hat sich die Unrichtigkeit herausgestellt. Hann 
bringt Klimatologie 195 eine Tabelle der überaus verschiedenen Jahres 
temperaturen, bei denen die Schneelinie in verschiedenen Breiten ver 
läuft. Es ist vor allem die grössere Beachtung, die man im Gegen 
sätze zu den Temperaturen den Niederschlagsmengen zu schenken 
gelernt hat, welche die älteren Ansichten umgestossen hat. Denn eine
	        
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