Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

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Westliche Tauern. 
mehr in die Breite als die Länge ausdehnt, ist durch hervorragende 
Felsrippen in drei Becken geteilt, von denen das östliche, vom Venediger 
herabziehende das grösste ist. Die Zungenbildung beginnt bei 2400 in 
Meereshöhe, wo zugleich eine Stufe von etwa 180 m Höhe auftritt. 
Ueber sie wirft sich die Eiszunge in zerrissenen Massen hinab; ein 
schöner Eisbruch entsteht, welchem die ersten Ersteiger des Venedigers 
1841 den Namen türkische Zeltstadt gegeben haben. Hierauf folgt 
eine nicht stark geneigte Zunge von etwa l 1 /» km Länge, welche jetzt 
oberhalb einer neuen Stufe, die früher auch überschritten wurde, in 
einer Höhe von 1930 m mit einem stark gewölbten Abschwung zu 
• Ende geht. Ein grosser Teil des Firnfeldes liegt ziemlich tief; die 
Höhenlinie von 2600 m schneidet stark in dasselbe ein und teilt die 
Gletscherfläche im Verhältnis wie 1 : 3, indem 401,7 ha (25 °/ 0 ) unter 
und 1202 ha über 2600 m liegen. 
Was die Geschichte des Obersulzbachgletschers betrifft, so be 
weisen einige am Rande der letzten Vergletscherung stehende uralte 
Zirben, dass seit Jahrhunderten ein stärkerer Vorstoss als der letzte 
nicht stattgefunden hat, eine Vermutung, welche auch anderen Ortes 
sich bestätigt findet. Die ersten positiven Nachrichten stammen aus 
dem Jahre 1841. Damals reichte der Gletscher über die vorerwähnte 
Stufe herab, wir wissen nicht wie weit. Man glaubte, dass der Glet 
scher seit einer Reihe von Jahren im Vorwärtsgehen begriffen sei; 
angeblich um mehr als 300 Klafter seit 40 Jahren sei er vorgerückt 
(Kürsinger S. 29). 
Da die ganze Entfernung vom jetzigen Endpunkt bis zum Maximal 
stand nur 835 m und vom Endpunkt von 1880 bis dahin nur 500 m 
beträgt, so müsste danach der Stand um 1800 etwa so gewesen sein wie 
der von 1880 oder 1882. Es wäre also anzunehmen, dass die Vorstoss- 
periode von 1816 bis 1820, welche vom Sulden- und Vernagtgletscher 
bekannt ist, auch die grosse Vorschiebung unseres Gletschers über die 
Stufe hinab bewirkt hätte, und dass im Jahre 1841 ein wesentlicher 
Rückzug noch nicht eingetreten war. 
Von 1841 bis 1842 soll dann allerdings ein solcher stattgefunden 
haben. S. 301 des genannten Buches heisst es: „Uebrigens hat der 
Gletscher seit der ersten Ersteigung bis zur zweiten im September 1842 
merkwürdige Veränderungen erlitten. Die untersten Eismassen waren 
sichtbar zusammengeschmolzen und der Gletscher hiernach um 12 bis 
20 Fuss zurückgewichen; denn ebenso weit, standen die Steinwälle, 
bis an welche im vergangenen Jahre der Gletscher reichte, von selbem 
ab, ihn in besagter Entfernung wie freistehende Ringmauern umgebend. 
Ebenso war der Gletscher weiter aufwärts an dem von uns begangenen 
linken Saume merkbar zusammengeschmolzen und zurückgewichen. 
An der Stelle, wo der Steinkahrgletscher x ) in dreifachem Wasserfalle 
seine Wasser über die steile Wand hinab ergiesst und wo wir im 
vergangenen Jahre wegen eben daselbst herabstürzendem Eis und 
Steinmassen schnell vorübereilen mussten, stand uns dieses Mal wegen 
Zurückweichens des Obersulzbachgletschers ein breiter Weg offen, um 
9 Nach jetziger Ausdruckweise Sonntagskees.
	        
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