Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

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Oetzthaleralpen. 
Der Vernagtgletscher besitzt zwei durch den Rücken der „Hin 
teren Grasein“ getrennte Firnfelder, den Hochvernagt- und Guslar- 
ferner, deren Abflüsse sich in einer Höhe von ungefähr 2700 m treffen 
und vereinigen. Beide Firnfelder zeichnen sich durch eine ziemlich 
gleichmässige Neigung aus und besitzen in keiner Weise irgend etwas 
Auffälliges in ihrer Gestalt. Trotzdem ist der Gesamtgletscher, wie 
bekannt, ausserordentlichen Schwankungen in der Länge seiner Zunge 
unterworfen. 
Wie bedeutend die Veränderungen sind, welche sich am Ver- 
nagt nun schon viermal innerhalb 290 Jahren vollzogen haben, geht aus 
den nachstehenden Messungsergebnissen (nach der Originalaufnahme) 
hervor: 
Firnfeld des Hochvernagtgletschers (über 2800 m) 1142,4 ha 
„ „ Guslargletschers 461,1 
„ „ Gesamtgletschers 1608,5 ha 
Zunge des Hochvernagtgletschers 1883 . . . 63,6 
„ „ Guslargletschers 1883 39 
„ „ Gesamtgletschers „ 102,6 
Fläche „ „ „ 1706,1 
Eisfreies Terrain, welches bei dem letzten Vorstoss vom 
Gletscher bedeckt war 157,8 
Damalige Gesamtausdehnung 1863,9 
Entfernung des Gletscherendes von 1883 von dem von 1845 2092 m. 
Das Gletscherbett, welches gegenwärtig frei liegt, ist nicht, wie 
beim Mittelberg-, Rhone-, Obersulzbach-, Gepatsch- und vielen an 
deren Gletschern, eine mehr oder weniger ebene Rundbuckellandschaft, 
sondern ein Thal ohne Sohle mit dreieckigem Querschnitt, ohne Stufen - 
bildung und mit einer Neigung, welche sich von 11 bis 12° an einigen 
Stellen auf 19 bis 24° steigert. Seine Länge — von dem Vereinigungs 
punkt der Zungen bis zum Gerinne des Rofenthales — beträgt 2875 m. 
Die Neigung ist allerdings für die Zunge eines grossen Gletschers be 
deutend, besonders auf eine so lange Strecke hin. Man wird zwar 
bei Gletschern, welche einen Absturz über eine Thalstufe ausführen 
müssen, leicht stärkere Mittelneigungen vorfinden; doch erstreckt sich 
da die grosse Steilheit nur auf kürzere Strecken, um dann wieder mit 
ebenen Stellen abzuwechseln. 
Dieses ganze, jetzt auf fast 2 km eisfreie Thal hat der Gletscher 
bei den erwähnten vier Vorstössen ausgefüllt, und da er damit die 
Sohle des senkrecht darauf stehenden Rofenthales erreichte, so hat er 
sich dort sowohl thalaufwärts als noch mehr thalabwärts ausgebreitet, 
so dass die Zunge am Ende eine Zunahme an Breite erfuhr. Hier 
durch wurde der Lauf des Rofenbaches abgesperrt und es entstand thal 
aufwärts ein See, der dann jedesmal in wiederholten Durchbrüchen 
unter und neben dem Gletscher sich entleerte, was gewaltige Hoch 
wässer durch das ganze Oetzthal hin und sogar im Innthal erzeugte. 
Diesem Umstande verdanken wir allein unsere Nachrichten über frühere 
Vorstösse.
	        
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