Volltext: Landschaftskunde des oberen Innviertels [15. Heft] (15. Heft / 1921)

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So bildet die Landschaftskunde also auch unseren Geist 
und beeinflußt unsere klnschauungen von Welt und Leben. Be 
scheidener zu werden, kann vielleicht eine Existenzfrage für unser 
ganzes Volk sein. Gehobenes Selbstbewußtsein, hinter dem 
nichts steckt, ist und bleibt Halbbildung. 
kille sind wir von einander abhängig, wenn auch die 
Verbindungsglieder dem Halbgebildeten verborgen sind — 
ähnlich wie im Landschaftsbilde, wo, wie wir sehen werden, 
auch nichts in der Luft hängt, sondern überall wechselseitige 
Bedingtheit besteht, was uns beim ersten Blick als Parasitismus 
erscheint, zeigt sich im Getriebe der Natur oft als dringende 
Notwendigkeit. Und wenn wir aus der Landschaftskunde gar 
noch den Glauben an eine fortschreitende Entwicklung in uns 
wachgerufen fühlen, wenn uns das Studium der Landschaft 
klar und deutlich vor kluge stellt, daß es Kein Ende, sondern 
nur ein weiter, ein vorwärts gibt, dann werden uns land- 
schaftskundliche Studien nicht nur ein treuer Begleiter, sondern 
auch ein warmer Freund, der uns in Tagen der Not nicht 
verläßt, sondern uns eine klusschau in eine schönere, bessere 
Zukunft gibt, wir lesen aus der Landschaft, daß viele Kata 
strophen vorübergegangen sind, die oft stacke Aenderungen 
brachten und doch im Laufe der Zeiten in ihren Wirkungen 
fast spurlos ausgetilgt wurden. 
Unendlich reich sind so die Wirkungen, die vom Studium 
der Landschaft ausgehen. Körper und Geist, verstand und Ge 
müt empfangen reiche Nahrung und vielseitige klnregung. Er 
halten wir auch nicht viel Fertiges, Bausteine werden uns in 
großer Menge gegeben — und das ist das Schöne an der 
LandschaftsKunde. Venn die Landschaft soll nicht nur wissen 
schaftlich beschrieben und erklärt werden — in jedem Land- 
schaftsbilde steckt noch etwas ganz anderes — etwas Unnah 
bares, etwas Großes — wäre das Wort nicht so vieldeutig ge 
braucht — möchte ich fast sagen, etwas Göttliches, wer von 
uns hat es nicht schon erlebt, wenn er an einem sonnigen 
Zrühlingsmorgen durch die blumige klu zog, oder wenn das 
letzte Glühen der untergehenden Sonne die Landschaft golden 
beleuchtete, wenn um Allerheiligen die Natur noch einmal all 
ihre bunten Kleider anzog, vom saftigen Grün bis zum feurigen 
Not — ehe das große Sterben in der Natur Kam. 
In solchen klugenblicken fühlen wir, daß wir der heimat 
lichen Natur ja um einen Kleinen Schritt näher treten Können, 
daß sie uns aber in ihrer Gänze immer etwas Unerreichbares, 
Großes sein wird. 
In diesem bescheidenen Sinne möge dieses Kleine Büchlein, 
das sich LandschaftsKunde des Bezirkes Braunau nennt, auf-
	        
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