Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

denn erst in diesem tausendjährigem Zeitabschnitt*) haben sich 
die gesellschaftlichen Verhältnisse Europas und damit auch 
Deutschlands, allerdings unter schweren Kämpfen und Leiden 
der einzelnen Bevölkerungsklassen untereinander in der Haupl- 
Abregelt. Neue Anschauungen und Vorstellungen erhoben 
sieg allerwärts, sind wieder untergegangen und zum Teil in 
ganz veränderter, aber besserer Form erst in neuerer Zeit 
wiedererstanden. So ist besonders in den Daseinsbedinqunqen 
der Bauern ein tiefeingreifender Wechsel hervorgetreten und 
der Bürgerstand hat sich erst entwickelt. 
Die folgenden Zeiten sollen nun eine, wenn auch nur 
kurzgefaßte Darstellung bringen, wie sich die damaligen, diese 
beiden Bevölkernngsklafsen berührenden Zustände herausge¬ 
bildet und was letztere der neueren Zeit zur Verbesserung 
der Lebensverhältnisse übrig gelassen haben. 
b. Der Bilrgerftanti. Zu Beginn des Mittelalters 
waren die deutschen Städte noch in verhältnismässig geringer 
EM; letztere hatte sich jedoch zur Zeit der durch 200 Jahre 
andauernden Kreuzzüge und znsolge des dadurch hervorge¬ 
rufenen gewaltigen Verkehres der verschiedenen Völker unter¬ 
einander oder bei günstiger wirtschaftlicher Lage schnell wesent¬ 
lich erhöht. Handel und Gewerbe stiegen zu hoher Blüte und 
die Städte wurden reich und mächtig. Je wohlhabender sie 
aber wurden, desto größere Freiheiten und Vorrechte suchten 
sie sich anzueignen, welcher Freiheitssinn durch die Macht¬ 
losigkeit mancher Kaiser nur begünstigt wurde. Manche 
Ttädte erkauften sich die Unabhängigkeit von ihren, nur zu 
oft geldbedürftigen Fürsten und wurden dadurch freie 
Reichsstädte, an denen die deutschen Kaiser nicht selten 
eine Stütze gegen den mächtigen und übermütigen Adel fanden. 
Zur Verteidigung der Freiheit war die ganze wehrfähige 
männliche Bewohnerschaft verpflichtet und reiche Städte hielten 
sich gemeinsam nebenbei auch zahlreiche bewaffnete Mannschaft, 
die Handel und Verkehr auf Flüßen und Wegen zu schützen hatte. 
Wegen der Unsicherheit im ganzen Mittelalter waren die 
Städte durch Mauern und Wälle befestigt, sie glichen daher 
*) Siehe Seite 22. Das Mittelalter ist der Zeitraum zwischen 
Altertum und neuerer Zeit, beginnt mit Ende des weströmischen 
Ü'f't l476t Christi) und schließt zur Wende des 15. und 
lb. Jahrhunderts, oder genauer, mit Entdeckung Amerikas (1492) sowie 
Beginn der Reformation (1517).