Volltext: Schärding [5]

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fett deö Landrichters als Ktmstbeamten der 1. In 
stanz der Sladtrat bezw. der Hofmarksherr und 
dessen Beamte, ohne daß damit am Entscheidungs 
recht deö Geistlichen Rats sich, ebensowenig als bei 
den Klöstern, etwas geändert hatte. 
Die im Geistlichen Rat vereinigte zentrale Kunstver 
waltung deö Staates hatte allerdings auch noch nach 
einer anderen Seite entwicklungsgeschichtlich die größte 
Bedeutung für die Heimatgeschichte. Die Voraus- 
setztmg alles Kunstlebens ist allzeit das Vorhanden 
sein der notwendigen Geldmittel. Solange die Kirchen- 
fabrik (Vermögen für Bauzwecke) vom Pfarrer unter 
Aufsicht deö Bischofs allein verwaltet wurde, gab 
es eine künstlerische Tätigkeit nur dann, wenn die 
Fabrikskaste genügend Geld hatte. Die Kunstblüte 
der Spätgotik und des Barock, wo nur aus einer 
tief in derVolksseele wurzelnden Schmuckfreude heraus, 
ganz gleich ob Geld in der Kirchenkaste vorhanden 
war oder nicht, fast jedes kleinste Dorfkirchlein seinen 
neuen Altarschmuck erhielt, wo die prächtigen Kloster 
kirchen überall inr Lande fast aus dem Boden wuch 
sen, wäre undenkbar gewesen, wenn in der Institution 
deö Geistlichen Rates nicht eine fast unversiegbare 
Geldquelle für die Befriedigung solcher künstlerischer 
Gelüste bestanden hätte. Der Geistliche Rat, eine 
meist auS Geistlichen besetzte kollegiale Behörde, war 
der zentrale Verwalter deö gesäurten Kirchenfabriks 
vermögens des Landes. War für eine künstlerische 
Unternehmung Geld nötig — und der Geistliche Rat 
hatte für den Gedanken der Erbauung deö gläubigen 
Volks durch Leistungen der Kunst stets einen offenen 
Sinn und offene Taschen — so trat der Geistliche 
Rat in Aktion. War in der Kirchenkaste Geld vor 
handen, so zögerte der Geistliche Rat meist nicht lange 
mit der Genehmigung der geplanten künstlerischen 
Unternehmung, ja in solchen Fällen konzedierte man 
sogar dein Pfarrherrn eine gewisse Freiheit bei der 
Wahl der Künstler und Kunsthandwerker und sogar 
die Ausländerbestimmungen wurden milder gehand- 
habt. Aber die Regel war meist, daß kein Geld 
oder nicht genügend Geld vorhanden war und 
dann schuf eö der Geistliche Rat herbei. Bei ganz 
großen cind wichtigen Kunstunternehmungen schrieb 
der Geistliche Rat das „Oonum gratuitum" aus, 
d. h. jede Kirche des ganzen Bayernlandes oder jede 
Kirche eines bestimmten Rentamtes hatte je nach 
Vermöglichkeit 1 Gulden, 2 Gulden und auch mehr 
zu denr bestinunten Zwecke herzuschenken. Als zum 
* Beispiel am 26. Mai 1745 der Turm und der Dach- 
stuhl der Braunauer Stadtpfarrkirche durch Blitz 
schlagein Raub der Flammen wurden und ein Schaden 
von ungefähr 30 000 fl entstanden war, da ordnete 
der Geistliche Rat an, daß alle in Stadt, Märkten 
und Hofmarken gelegenen Gotteshäuser die vermög- 
lichen 3, die mitteren 2 und die mindest bemittelten 
1 Gulden als clonum gratutium einzuschicken haben. 
Die Erträgnisse solcher clona gratuita waren aber 
meist nicht allzu reich, so erhielt auch Braunau da 
mals nur ganze 1298 fl 15 kr, daher war der siche 
rere Weg die Ausschreibung der Iwangsanleihe 
durch den Geistlichen Rat, d. h. es wurde den Gottes 
häusern eines bestimmten Landgerichtsbezirkö oder 
mehrer Bezirke, auch manchmal eines oder mehrerer 
Rentämter die Aufbringung einer bestimmten Geld 
summe zu einem bestimmten Zwecke in Gestalt von 
rückzahlbaren,jedoch unverzinslichen, von den einzelnen 
Gotteshäusern des Landgerichts vorzustreckenden Dar 
lehen aufgetragen. Der Landrichter hatte die 
Aufteilung vorzunehmen und eventuell die Gelder 
solcher Iwangtzanleihen exekutiv einzutreiben. Daö 
ergab natürlich nach Umständen Riesensummen und 
bildete ein Fundament für eine so grandiose Kunst 
tätigkeit, wie sie uns heute kaum mehr verständlich 
erscheint. Es läßt uns aber auch die Kunstschätze des 
Bayernlandeö mit ganz anderen Augen noch ansehen, 
denn daö waren so recht Gemeinsamkeitsleistungen 
des ganzen Volks, bei denen der Urväter Kreuzer auch 
aus stillen entlegenen Bauerndörfern mit hineinge 
baut wurden und das Erbe eines ganzen Volkes 
schufen, das von keiner Inflation zerstört wurde. 
Wenn wir die Kirchenrechnungen der Landgerichte 
Ried und Braunau durchblättern, dann sehen wir 
wieviel Innviertler Bauerngeld bei den großen Krump- 
ners chen Kirchenbauten in Lechhausen und St. P e t e r 
in München mitverbaut wurde zu Ehren Gottes 
und des ganzen Bayernlandö. Im P a s s a u e r Dom 
bau stecken gewaltige Summen Schärdinger Leih 
geldes, im Jahre 1681 hatten die Gottshäuser des 
Landgerichts Schärding 10 000 fl, verteilt auf 10 Jahre, 
zur Auferbauung der abgebrannten Canvnieathöfe 
in Passau beizutragen; zur Wiedererbauung der 
Pfarrkirche in Regen hatten die Schärdinger Gottes 
häuser 1646 achthundert Gulden zu leisten und im 
gleichen Jahr dem abgebrannten Liebfrauengottshaus 
in Grafenau 600 fl vorzustrecken; zur Auferbau 
ung des abgebrannten Margaretengottshauses in 
Schönberg schössen die Schärdinger Gottshäuser 
anno 1668 siebenhundert Gulden vor, 1641 gestattete
	        
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