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Nr. 428
Die österreichisch-ungarische Botschaft
an das Auswärtige Amt1
Berlin, den 30. Juli 19141 2
Notiz
Auszug aus einer Weisung des Grafen Berchtold an Herrn
von Merey in Rom ddo. 28. Juli:
»Ich habe dem italienischen Botschafter erwidert, daß
unser Streitfall mit Serbien nur dieses und uns angehe, daß
wir an keine territorialen Erwerbungen dächten, eine Be¬
setzung serbischen Gebietes daher nicht in Frage komme.
Auf den Wunsch Herzogs von Avarna, hierüber eine
bindende Erklärung zu erhalten, entgegnete ich, dies sei aus
dem Grunde nicht möglich, weil derzeit natürlich nicht vor¬
auszusehen sei, ob wir nicht gegen unseren Willen durch
den Verlauf der Kriegsereignisse gezwungen werden
würden, serbisches Territorium okkupiert zu halten. Bei
normaler Abwickelung sei dies allerdings nicht zu er¬
warten, da wir absolut kein Interesse hätten, die Zahl
unserer serbischen Untertanen noch zu vermehren.
Ew. Exz wollen hiervon Marquis di San Giuliano Mit¬
teilung machen und hinsichtlich der auf Art. VII des Drei¬
bundvertrages abgeleiteten Kompensationsansprüche noch
bemerken:
Wie bereits Herzog von Avarna gegenüber hervor¬
gehoben, liegt die Erwerbung von serbischem Territorium
durchaus nicht in unseren Absichten, sollten wir uns aber
dennoch gezwungen sehen, zu einer nicht als nur vorüber¬
gehend anzusehenden Besetzung serbischen Gebietes zu
schreiten, so sind wir bereit, für diesen Fall mit Italien in
einen Meinungsaustausch über eine Kompensation einzu¬
treten.
Andererseits müssen wir von Italien erwarten, daß es
den Verbündeten in seiner Aktion nicht behindern, vielmehr
seine in Aussicht gestellte bundesfreundliche Eialtung uns
gegenüber unentwegt beibehalten werde.
1 Nach der nicht Unterzeichneten Ausfertigung.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm.