Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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Nr. 266 
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1 
Telegramm 165 London, den 27. Juli 19142 
Allerdings unterscheidet der Minister scharf zwischen öster¬ 
reichisch-serbischem und österreichisch-russischem Konflikt®, d. h. 
er wollte sich in den österreichisch-serbischen so lange nicht ein- 
mischen, als aus demselben sich nicht ein österreichisch-russischer 
entwickelt hatte. Solange es ein österreichisch-serbischer bliebe, 
hielte er sich zurück. Jetzt aber sieht er sich genötigt einzugreifen, 
da daraus ein österreichisch-russischer und somit ein europäischer 
zu werden droht. Der österreichisch-russische läßt sich demnach 
vom österreichisch-serbischen gar nicht trennen, da ersterer auf 
letzterem beruht, und in diesem Sinne sprach auch der Minister 
mit mir. Eine Verständigung zwischen Österreich und Rußland 
beruht auf Beilegung des österreichisch-serbischen Zwistes. Ohne 
diese Beilegung erscheint nach hiesiger Auffassung jeder Vermitt¬ 
lungsversuch ganz aussichtslos. Wie soll ich für Lokalisierung des 
Konflikts eintreten, wenn hier niemand daran zweifelt, daß durch 
das Vorgehen Österreich-Ungarns ernste russische Interessen auf 
dem Spiele stehen, und daß Rußland sich, falls von uns aus kein 
Druck auf Österreich ausgeübt wird, selbst gegen seinen Wunsch 
zum Einschreiten genötigt sehen wird? Ich errege damit nur hei¬ 
teres Achselzucken. 
Sollte sich Einigung zwischen Wien und Petersburg nach Tele 
gramm Nr. 1804 auf Grundlage der österreichischen Note erzielen 
lassen unter Vermeidung militärischer Maßnahmen gegen Serbien, 
so wäre alles erreicht, was Sir E. Grey erstrebt. Was er vermeiden 
möchte, ist Österreichs Waffengang gegen Serbien, weil er von 
diesem Störung europäischen Friedens befürchtet. 
Er bestätigt mir übrigens heute, daß keine russische Einberu¬ 
fung der Reserven stattfinde. 
Lichnowsky 
1 Nach der Entzifferung. 
2 Aufgegeben in London 617 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 
840 nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. 
* Siehe Nr. 248. 
1 Siehe Nr. 238, Anmerkung 2.
	        
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