Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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beachtet werde. Er für seine Person sei gern bereit, in Petersburg 
beruhigend einwirken zu lassen, nachdem durch österreichisch - 
ungarische Versicherung, daß keine Annexion beabsichtigt, Vorbe¬ 
dingung geschaffen sei. Er könne mir allerdings noch nicht förm¬ 
liche Erklärung namens der französischen Regierung über Modus der 
Einwirkung geben, da er zunächst mit abwesendem Ministerpräsidenten 
in Benehmen treten müsse. 
Der Minister warf persönlichen Gedanken ein, ob nicht auch 
beruhigende Einwirkung in Wien in Frage kommen könne, nachdem 
Serbien anscheinend in den meisten Punkten nachgegeben habe und 
somit Raum für Verhandlungen gegeben. Ich erwiderte, daß mir 
etwaige gemeinschaftliche Vorstellungen der Mächte in Wien mit 
unserer Auffassung, daß Österreich-Ungarn und Serbien allein zu 
lassen, nicht vereinbar scheine. Der Punkt für Einwirkung sei 
Petersburg. 
Herr Bienvenu Martin gab im Laufe des Gespräches vertraulich 
zu, daß der Gedanke Sasonows, wonach nur Gesamtheit der Mächte 
Verhalten Serbiens aburteilen könne, juristisch schwer haltbar sei. 
Minister sprach mir Bedauern aus, daß meine erste Demarche hier von 
Presse vielfach mißdeutet worden, und versicherte, daß Indiskretion 
nicht von Quai d’Orsay ausgegangen. 
Schoen 
Nr. 236 
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1 
Telegramm 161 London, den 26. Juli 19141 2 
Habe soeben Sir A. Nicolson und Sir W. Tyrrell gesprochen. 
Nach hier vorliegenden Nachrichten steht allgemeine Einberufung 
russischer Reservisten nicht bevor, sondern nur partielle Mobili- 
sierung fern unseren Grenzen. Beide Herren erblicken im Vorschläge 
Sir E. Greys, hier Konferenz zu vier abzuhalten, einzige Möglich¬ 
keit, allgemeinen Krieg zu vermeiden und hoffen, daß es hierbei 
gelingen werde, Österreich volle Genugtuung zu verschaffen, da 
1 Nach der Entzifferung. Siehe Nr. 248. 
2 Aufgegeben in London 26. Juli 825 nachm., angekommen im Auswärtigen 
Amt 27. Juli 127 vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. In der vom Reichs¬ 
kanzler für den Vortrag beim Kaiser benutzten Entzifferung sind die 
Sätze »und sich in deren Drohungen Österreichs«, »denn 
keine russische verlustig gehen wollte« und »Ich möchte 
dringend zu verlieren hat« gestrichen. Randvermerk des 
Kanzlers vom 27 Juli: »S. M. vorgetragen. S. M. mißbilligten den 
Standpunkt Lichnowskys. B. H. 27.«
	        
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