Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

die deutliche und ernste Sprache, welche die englische Presse neuer¬ 
dings führt, wird Herr Paschitsch es auf keinen Konflikt mit der 
Nachbarmcnarchie ankommen lassen und zu allen Versprechungen 
bereit sein. Seine Stellung ist allerdings wegen der bevorstehenden 
Wahlen und der im Lande entfesselten Agitation eine äußerst 
schwierige. Jedes Entgegenkommen gegenüber der Nachbar¬ 
monarchie wird ihm von der vereinigten Opposition als Schwäche 
ausgelegt. Dazu kommt, daß die in ihrem Größenwahn und Chau¬ 
vinismus verblendeten Militärkreise ihn zu Schroffheiten nötigen, 
die seiner konzilianten Natur sonst ganz entgegengesetzt sind. 
Darauf möchte ich auch das dem Berichterstatter der »Leipziger 
Neuesten Nachrichten« gewährte Interview zurückführen, das nur 
aus innerpolitischen Motiven erklärlich ist. Es soll mittlerweile 
zwar dementiert worden sein, hat aber tatsächlich, wie ich aus 
sicherer Quelle weiß, stattgefunden. 
Je länger Österreich-Ungarn zum Abschluß der Unter¬ 
suchung über das Attentat in Sarajevo braucht, je länger es 
zögert, mit positiven Forderungen an Serbien heranzutreten, desto 
mehr werden sich die beiderseitigen Beziehungen durch die uner¬ 
müdliche Preßhetze und die vor nichts zurückschreckende Wahl¬ 
agitation im Innern des Landes vergiften und desto schwerer wird 
es Herrn Paschitsch werden, sich zu behaupten. 
v. Griesinger 
Nr. 138 
Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler1 
Geheim! Wien, den 22. Juli 19141 2 
Baron Macchio bittet mich, nachstehendes Ew. Exz. zu 
unterbreiten: 
Nach den Haager Beschlüssen würde die Monarchie gehalten 
sein, evtl, an Serbien eine förmliche Kriegserklärung zu richten. 
Diese Kriegserklärung würde nach vollendeter Mobilmachung, un¬ 
mittelbar vor dem Beginn der militärischen Operationen, zu 
erfolgen haben. Nachdem der k. u. k. Vertreter in Serbien Be¬ 
fehl erhalten hat, bei ungenügender Beantwortung der Note mit 
dem gesamten Personal sofort Belgrad zu verlassen, würde die 
Monarchie später, zur Zeit der Kriegserklärung, kein offizielles 
Organ haben, um diese in einwandfreier und sicherer Weise zur 
Kenntnis der sei bischen Regierung zu bringen. Man müßte auch 
1 Nach der Ausfertigung 
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 24. Juli vorm.
	        
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