Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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Mir sagte Minister, er fürchte schlechten Eindruck der Frist¬ 
bestimmung und habe noch in der Nacht durch Ministerpräsidenten 
alle Präfekten anweisen lassen, antiösterreichische Demonstrationen 
zu unterdrücken und Anwerbung etwaiger Freiwilliger zum 
Kampfe für Serbien zu verhindern. Er findet es gegen Geist des 
Dreibunds, in solche Aktion einzutreten, ohne Verbündeten vorher 
zu befragen. 
F 1 o t o w 
Nr. 137 
Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler1 
Belgrad, den 21. Juli X914* 3 
Die Erregung in der hiesigen Bevölkerung hält an, da man 
noch immer nicht weiß, welche Schritte die österreichisch-unga¬ 
rische Regierung in der Attentatsaffäre gegen Serbien unternehmen 
wird. Vorläufig hat sich diese nervöse Stimmung in heftigen An¬ 
griffen der serbischen Presse gegen Baron von Giesl entladen. In 
unqualifizierbarer Weise wird der Gesandte beschuldigt, die am 
12. d. M. in der hiesigen österreichisch-ungarischen Kolonie aus¬ 
gebrochene Panik selbst heraufbeschworen zu haben, um Serbien 
vor Europa zu kompromittieren. Das mindeste, was diese Presse 
als Genugtuung verlangt, ist sofortige Abberufung, da Baron Giesl 
für Serbien noch gefährlicher sei als der »jesuitische« Graf Forgach. 
Zum Belege beiuft man sich auf ein angebliches Interview, das 
Baron Giesl einem Mitarbeiter des Budapester Blattes »A Nap« 
gewährt haben soll und worin er erklärt, daß alle Vorbereitungen 
zum Massacre der österreichisch-ungarischen Kolonie und zur Zer¬ 
störung des Gesandtschaftsgebäudes tatsächlich getroffen waren und 
es nur seinem energischen Einschreiten zu verdanken sei, daß die 
Ausführung des höllischen Planes unterblieb. 
Einen besonderen Eindruck hat hier die Haltung der reichs- 
deutschen Presse gemacht durch ihre warme Unterstützung Öster¬ 
reich-Ungarns und die einmütige Forderung von serbischerseits zu 
gewährenden Garantien gegen die Gefahren der großserbischen 
Agitation. Man scheint in dieser Hinsicht etwas ähnliches wie bei 
den österreichischen Revisionsbestrebungen des Bukarester Ver¬ 
trages von Deutschland erwartet zu haben und sieht sich nun unan¬ 
genehm enttäuscht. 
Angesichts der allgemeinen Entrüstung, die sich in der Presse 
aller Kulturnationen kundgibt und insbesondere im Hinblick auf 
1 Nach der Ausfertigung. 
3 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 24. Juli vorm.
	        
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