Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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den in Karlsbad weilenden Chef des Generalstabes darüber infor¬ 
miere. Anwesend waren im Hintergründe I. M. die Kaiserin, ein 
Adjutant und ein Lakai. Unmittelbar vorher sprach S. M. — offen¬ 
bar zum gleichen Zwecke mit einem Marineoffizier, ebenfalls unter 
4 Augen, der sich sofort nach der Besprechung entfernte. Nachdem 
der Kaiser mich entlassen hatte, bestieg er sein Auto zum Antritt 
seiner Nordlandreise. Anordnungen wurden weder während noch 
im Anschluß an die Unterredung getroffen. S. M. betonte sogar, 
daß er es nicht für nötig erachte, bes. Anordnungen zu treffen, 
da er an ernste Verwickelungen aus Veranlassung des Sarajevoer 
Verbrechens nicht glaube. 
v. Bertrab, Gen. d. Inf. 
Generalleutnant Graf Waldersee 
(Auswärtiges Amt A. S. 2215/25. Oktober 1919) 
^ S 21QO 
Auf die Anfrage vom 23. d. M.------ beehre ich mich Nach¬ 
stehendes zu erwidern: 
Am Morgen des 8. Juli 1914 teilte mir Generalleutnant von 
Bertrab, Chef der Landesaufnahme, mit, er sei während meiner 
kurzen Abwesenheit vom Chef des Militärkabinetts nach Potsdam 
zu Sr. M. dem Kaiser befohlen worden. Dieser habe ihm zur Mit¬ 
teilung an den Chef des Generalstabes — General von Moltke weilte 
damals in Karlsbad — eröffnet, daß er, der Kaiser, dem Kaiser 
Franz Joseph zugesagt habe, minder deutschen Macht hinter ihm 
zu stehen, wenn aus dem seitens Österreich-Ungarns geplanten Vor¬ 
gehen gegen Serbien Verwickelungen entstünden. Irgendwelche 
Befehle oder Weisungen sind durch die Vermittelung des Generals 
von Bertrab nicht ergangen und auch sonst nicht in Sachen von 
etwaigen Kriegsvorbereitungen an den Generalstab gelangt. 
Es darf hier hervorgehoben werden, daß General von Bertrab 
lediglich in seiner Eigenschaft als rangältester Oberquartiermeister 
nach Potsdam zitiert worden ist und daß er mit Mobilmachungs¬ 
arbeiten nichts zu tun hatte. 
Der Kaiser hatte inzwischen seine Nordlandsreise angetreten. 
Für mich, der ich den General von Moltke in allen auf den Krieg 
bezüglichen Angelegenheiten vertrat, gab es infolge der Audienz des 
Generals von Bertrab in Potsdam nichts zu veranlassen. Die plan¬ 
mäßigen Mobilmachungsarbeiten waren am 31. März 1914 abge¬ 
schlossen. Das Heer war, wie immer, bereit. 
Noch am 8. Juli abends begab ich mich, nachdem ich mich 
über die Situation orientiert hatte, zu einem Erholungsurlaub aufs 
Land. Auch aus dem Kriegsministerium gingen keine Befehle für 
Vorbereitungen ein und der Generalstab hat weiterhin bis unmittelbar 
vor Kriegsbeginn keinerlei auf den Krieg hinzielende Maßregeln ge¬ 
troffen. Bald nach mir trat sogar der Chef der II. Abteilung, die 
unter mir die Mobilmachungsangelegenheiten bearbeitete, einen 
Urlaub an. 
Ich kehrte erst, als die stärkste politische Spannung eintrat, 
am 23. Juli nach Berlin zurück. 
Graf Wald e rse e
	        
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