Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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Rumänien enthalten. Herr Sasonow habe aber in bestimmter Form 
erklärt, daß Rußland einen Angriff Österreichs auf Serbien nicht 
dulden könne. Herr Take Jonescu meint, daß Rußland, falls Öster¬ 
reich serbisches Gebiet betrete, sich genötigt sehen werde, selbst 
auf die Gefahr einer Niederlage hin, militärisch einzugreifen. Aus 
Äußerungen des kürzlich, und zwar vor dem Attentat in Sarajevo 
in Bukarest gewesenen Botschafters Markgrafen Pallavicini will der 
rumänische Staatsmann entnommen haben, daß Österreich schon 
vor der Ermordung den Krieg gewünscht und auf eine passende 
Gelegenheit gewartet habe, um seine durch die Politik des Grafen 
Berchtold verlorengegangene Stellung auf dem Balkan wiederher¬ 
zustellen. Auch er betrachtet die Lage als überaus ernst und gab 
mir zu verstehen, daß Rumänien bei einem neuen Balkankriege 
nicht gleichgültig bleiben könne und den Bukarester Frieden erhalten 
wissen wolle. 
Das Verhältnis zu Österreich bezeichnete Herr Take Jonescu 
als schlecht, der russische Besuch sei dem König Carol3 daher unge¬ 
legen gekommen, er habe ihn aber nicht abweisen können. 
Noch vor 14 Tagen sei Rumänien bereit gewesen, eine größere 
Truppenmacht nach Albanien zu senden, falls jede der Großmächte 
auch nur 100 Mann hinschicken wollte. Ob diese Bereitwilligkeit 
heute noch bestehe, könne er mir nicht sagen. Er glaube nicht, 
daß die aufständische Bewegung in Albanien von serbischer oder 
griechischer Seite genährt werde, sie sei vielmehr von den Jungtürken 
ausgegangen, die glaubten, daß bei neuen Verwicklungen wieder 
etwas für sie abfallen könne. Serbien wisse genau, daß man es 
nicht nach Nordalbanien lassen werde, und ihm sei der Fürst Wilhelm 
lieber wie eine österreichisch-italienische Besetzung. 
Lichnowsky 
3 Entzifferung schreibt zuerst «Karl«, dann »Carol«. 
Nr. 130 
Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt1 
Telegramm 146 St. Petersburg, den 23. Juli 19142 
Die kühle Aufnahme, die Präsident Poincare 
bei seinem hiesigen Besuche gefunden hat, fällt all¬ 
gemein auf. Die große Teilnahmslosigkeit des 
1 Nach der Entzifferung. 
3 Aufgegeben in Petersburg 255 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 
525 nachm.; Eingangsvermerk: 23. Juli nachm. Am 23. Juli von Jagow 
telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgenommen in Berlin 23. Juli 
u21 nachm., angekommen im Hoflager 24. Juli 70 vorm.; Entzifferung des 
Hoflagers vom Kaiser am 24. Juli zurückgegeben, am 27. Juli ins Amt 
zurückgelangt.
	        
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