Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

14* 
Der Minister fuhr erregt fort, auf jeden Fall 
dürfe Österreich-Ungarn, wenn es durchaus den 
Frieden stören wolle, nicht vergessen, daß es in 
nein! Rußland ja! diesem Falle mit Europa \u rechnen habe. Rußland 
als den Thäter und würde einem Schritt in Belgrad, der auf eine Er- 
Vertreter des Für- niedrigung Serbien[s]5 absehe, nicht gleichgültig zu- 
stenmordes!!! sehen können. Ich bemerkte, ich vermöchte in 
ernsten Vorstellungen, in welchen Serbien an seine 
völkerrechtlichen Pflichten erinnert würde, noch 
richtig keine Erniedrigung [{w*] erblicken. Herr Sasonow 
erwiderte, es komme darauf an, wie dieser Schritt 
erfolge, auf jeden Fall dürfe von einem Ultimatum 
ist bereits da! nicht die Rede sein6 7. 
Der Minister wies im Laufe des Gesprächs 
wiederholt darauf hin, daß nach den ihm vorliegen¬ 
den Nachrichten die Lage auch in Paris und London 
ernst angesehen werde, er war dabei sichtlich be¬ 
strebt, bei mir den Eindruck zu erwecken, daß auch 
er irrt! in England die Haltung Österreich-Ungarns sehr 
gemißbilligt werde. 
Am Schluß der Unterhaltung frug ich Herrn 
Sasonow, was nach seiner Ansicht an dem in der 
letzten Zeit in der Presse viel erörterten angeblichen 
Plan einer Vereinigung von Serbien und Montenegro 
wäre. Der Minister bemerkte, eine solche Vereini¬ 
gung werde nur von Montenegro gewünscht, welches 
auch den größten Vorteil dabei haben würde. In 
Serbien denke man gar nicht an diese Vereinigung, 
was der verstorbene Herr von Hartwig noch in 
einem seiner letzten Berichte besonders hervor¬ 
gehoben habe. Höchstens wünsche man auf wirt¬ 
schaftlichem Gebiet ein engeres Verhältnis mit 
Montenegro, von einer Personalunion wolle man 
aber nichts wissen. 
Herr Sasonow hat seinen Besorgnissen wegen 
der österreichisch-serbischen Spannung auch meinem 
italienischen Kollegen gegenüber Ausdruck gegeben 
und dabei bemerkt, Rußland würde es nicht dulden 
können, daß Österreich-Ungarn Serbien gegenüber 
qui vivra verra! eine drohende Sprache führe oder militärische Ma߬ 
regeln treffe. »La politique de la Russie«, hat Herr 
Sasonow gesagt, »est pacifique, mais pas passive«. 
F. Pourtales 
6 Ausfertigung irrig: Serbien. 
ln Ausfertigung fehlt irrig: zu. 
7 »Ultimatum nicht die Rede« vom Kaiser zweimal unterstrichen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.