Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

138 
daher über diesen Punkt nicht ganz beruhigt. Weiterer Erörterung 
wich er anscheinend aus mit der Bemerkung, Ministerpräsident Salandra 
wünsche am Freitag, 24. d. M., die eingetretene Lage in seinem — 
des Marquis di San Giuliano — Beisein mit mir zu erörtern. Der 
Ernst der Situation für Deutschland und Italien verlange eine solche 
Aussprache. San Giuliano konnte seine Besorgnisse vor übertriebenen 
Forderungen Österreichs nicht verhehlen, die ganz Europa und auch 
italienische öffentliche Meinung gegen Österreich aufbringen würden. 
Er hält das Vorgehen nach wie vor für zwecklos, da man serbische 
nationale Bestrebungen nicht unterdrücken könne. Flotow 
Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler1 
St. Petersburg, den 21. Juli 19141 2 
Herr Sasonow, der in der vorigen Woche mehrere 
Tage auf seinem Landgut im Gouvernement Grodno 
verbracht hatte, ist seit seiner Rückkehr von dort 
recht nervös wegen der Beziehungen zwischen Öster¬ 
reich-Ungarn und Serbien. Er erzählte mir, daß er 
sehr alarmierende Berichte aus London, Paris und 
Rom erhalten habe, wo überall die Haltung Öster¬ 
reich-Ungarns wachsende Besorgnis einflöße. Auch 
Herr Schebeko, der im allgemeinen ein ruhiger Be¬ 
obachter sei, melde, daß die Stimmung in Wien 
gegen Serbien immer schlechter werde. 
Der Minister ergriff die Gelegenheit, um seinem 
Groll gegen die österreichisch-ungarische Politik wieder 
in gewohnter Weise freien Lauf zu lassen. Daß Kaiser 
Franz Joseph und auch Graf Berchtold friedliebend 
wären, wollte Herr Sasonow zwar zugeben, es seien 
aber sehr mächtige und gefährliche Einflüsse an 
der Arbeit, die in beiden Reichshälften immer mehr 
an Boden gewännen und die vor dem Gedanken 
nicht zurückscheuten, Österreich in einen Krieg zu 
stürzen, selbst auf die Gefahr hin, einen allgemeinen 
Weltbrand zu entfesseln.- Man müsse sich mit Be- 
das Bild paßt viel sorgnis fragen, ob der . greise Monarch und sein 
besser auf Peters- schwacher Minister des Äußern diesen Einflüssen 
bürg! gegenüber auf die Dauer die nötige Widerstands¬ 
kraft finden würden. 1 
1 Nach der Ausfertigung. 
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 23. Juli vorm. Bericht lag dem 
Kaiser vor, von ihm am 27. Juli zurückgegeben. Gemäß k. Randverfügung 
am 30. Juli durch Erlaß den Botschaften in Wien, Rom, London und 
Paris mitgeteilt.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.