Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

Der Botschaftsrat in Wien an den Staatssekretär des 
Auswärtigen (Privatbrief)1 
Wien, den 18. Juli 19141 2 
Hochverehrter Herr Staatssekretär ! 
Gestern war ich bei Berchtold, der mir sagte, daß die bewußte 
Note am 23. d. M. in Belgrad überreicht werden soll. Wie ich 
gestern berichtet habe, hofft Berchtold, daß die österreichischen 
Forderungen, über die er sich im einzelnen nicht ausließ, von 
Serbien nicht angenommen werden, ganz sicher ist er aber nicht, 
und ich habe aus seinen wie aus Äußerungen von Hoyos den Ein¬ 
druck, daß Serbien die Forderungen annehmen kann. Auf meine 
Frage, was denn geschehen solle, wenn die Sache auf diese Weise 
wieder im Sande verlaufe, meinte Berchtold, man müsse dann bei 
der praktischen Durchführung der einzelnen Postulate eine weit¬ 
gehende Ingerenz ausüben. — Will man hier wirklich eine endgültige 
Klärung des Verhältnisses zu Serbien, wie sie auch Graf Tisza in 
seiner Rede kürzlich als unabweislich bezeichnet hat, so wäre es 
allerdings unerfindlich, warum man nicht solche Forderungen auf¬ 
gestellt haben sollte, die einen Bruch unvermeidlich machen. Ver¬ 
läuft die Aktion wieder wie das Hornberger Schießen, und bleibt 
es bei einem sogenannten diplomatischen Erfolge, so wird damit 
die hierzulande schon vorherrschende Anschauung, daß die Monarchie 
zu keiner Kraftäußerung mehr fähig ist, bedenklich befestigt. Die 
Folgen, die dies nach innen und außen haben würde, liegen ja auf 
der Hand. 
Ich habe Berchtold auch gefragt, ob er vor einer eventuellen 
Aktion gegen Serbien mit Italien Fühlung zu nehmen gedenke, worauf 
er mir sagte, er habe bisher noch kein Wort verlauten lassen 
und beabsichtige auch, die italienische Regierung vor ein fait accompli 
zu steilen, da sie ihm in puncto Verschwiegenheit nicht ganz sicher 
sei und bei ihrer serbophilen Haltung leicht in Belgrad etwas durch- 
sickern lassen könne. Hierin habe man auch in Berlin Hoyos, mit 
dem dieser Punkt besprochen worden sei, recht gegeben. Dies 
wurde mir auch von Hoyos selbst bestätigt. Darauf habe ich dem 
Minister im Sinne des Geheimen Erlasses vom 15. d. M. — Nr. 911 —3 
eindringlich auseinandergesetzt, wie ungeheuer wichtig es uns erscheine, 
daß man sich hier mit Rom über die im Konfliktsfall zu verfol¬ 
1 Nach der Ausfertigung von Stolbergs Hand. 
2 Das Schreiben ging v. Jagow persönlich zu, der es schon am 20. Juli nachm, 
beantwortete (siehe Nr. 89) und es erst dann im Amt journalisieren ließ, 
so daß es den Eingangsvermerk vom 21. Juli nachm, trägt. 
3 Siehe Nr. 46.
	        
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