Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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sich aber scheinbar über ihre territorialen Pläne auch nicht weiter 
ausgelassen. 
Für die diplomatische Behandlung des Konflikts mit Serbien 
wäre es von dessen Beginn an nicht unwichtig zu wissen, welches 
die Ideen der österreichisch-ungarischen Staatsmänner über die 
künftige Gestaltung Serbiens sind, da diese Frage von wesentlichem 
Einfluß auf die Haltung Italiens und auf die öffentliche Meinung und 
die Haltung Englands sein wird. 
Daß die Pläne der Staatsmänner der Donaumonarchie durch den 
Gang der Ereignisse beeinflußt und modifiziert werden können, ist 
wohl als selbstverständlich anzusehen, immerhin sollte man annehmen, 
daß das Wiener Kabinett sich doch sc'hon ein allgemeines Bild der 
zu erstrebenden Ziele auch in territorialer Hinsicht gemacht hat. 
Ew. Exz. wollen versuchen, im Gespräch mit dem Grafen Berchtold 
sich hierüber eine Aufklärung zu verschaffen, dabei aber den Ein¬ 
druck vermeiden, als wollten wir der österreichischen Aktion von 
vornherein hemmend in den Weg treten oder ihr gewisse Grenzen 
oder Ziele vorschreiben. Es wäre uns nur von Wert, einigermaßen 
darüber orientiert zu sein, wohin der Weg etwa führen soll. 
v. Jagow 
Nr. 62 
Der Botschafter in London an den Reichskanzler1 
London, den 16. Juli 1914 2 
Vom Standpunkt des Grafen Berchtold ist es vollkommen be¬ 
greiflich, daß er seine durch den Bukarester Frieden stark er¬ 
schütterte Stellung und den durch den Abfall Rumäniens verminderten 
Einfluß der Monarchie auf dem Balkan dadurch wieder zu heben 
gedenkt, daß er die jetzige verhältnismäßig günstige Gelegenheit zu 
einem Waffengange mit den Serben benutzt. Die leitenden mili¬ 
tärischen Persönlichkeiten in Österreich haben bekanntlich schon 
seit längerer Zeit dahin gedrängt, das Ansehen der Monarchie durch 
einen Krieg zu befestigen. Einmal war es Italien, dem der Irreden- 
tismus ausgetrieben, ein andermal Serbien, das durch Kriegstaten 
ä la Prinz Eugen zur Entsagung und zu besseren Sitten gezwungen 
werden sollte. Ich begreife, wie gesagt, diesen Standpunkt der 
österreichischen Staatsleiter und würde in ihrer Lage vielleicht schon 
früher die serbischen Wirren dazu benutzt haben, um die süd¬ 
slawische Frage im habsburgischen Sinne zu lösen. 
1 Nach der Ausfertigung. 
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 18. Juli vorm.
	        
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