Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Leuten in vorderster Linie gibt der aufschäumenden Freude, nun doch auf den lange ver¬ 
folgten Feind gestoßen zu sein, durch ein weithin schallendes, wie ein übermütiger Jubelschrei 
klingendes Hurra beredtesten Ausdruck, und hunderte Kehlen wiederholen jauchzend den 
anfeuernden Sturmruf. 
Noch an die 150 Schritte vom vollständig unsichtbaren Feinde entfernt, eine felsige, 
hundertfach zerrissene Böschung von wenigstens vierzig Bogengraden vor sich, zudem von 
den verborgenen feindlichen Schützen mit todbringenden Geschossen buchstäblich überschüttet — 
und dennoch schon dieses selbstvertrauende, siegessichere Hurra! Es wird bis ans Ende meiner 
Tage in mir nachklingen, gleich dem aufpeitschenden Kehrreim eines Heldenliedes, wie ein 
solches nur im ungeheueren Völkerringen unserer grausig großen Gegenwart geboren werden 
konnte. 
Erst auf ungefähr 1O0 Schritte Entfernung vom immer wütender feuernden Gegner 
warfen sich die nach dem entscheidenden Nahkampf begehrenden Steirer zu Boden; sie mußten 
sich ja doch einmal Zeit zum Verschnaufen lassen, wenn sie nicht gänzlich erschöpft an den 
Feind herankommen wollten. Wer während dieser kurzen Rast ein sicheres Ziel für seine 
kostbaren Patronen fand, suchte sie mit scharf auslugendem Auge und ruhiger Hand an den 
Mann zu bringen. Nur wenige Minuten dauerte diese unbedingt notwendige Pause im 
unaufhaltsamen Auswärtsstürmen, und schon brachen einzelne Ungeduldige aus der Feuerlinie 
vor. Ein kurzes Kommandowort riß nun das Ganze auf und näher an den Verteidiger. 
Auf weniger als 50 Schritte herangekommen, schließen sich die drei Kompagnien unter 
persönlicher Führung des mutig an der Spitze vordringenden Bataillonskommandanten zum 
letzten Sprung zusammen, um die Entscheidung über den Besitz des Mt. Cimon herbeizuführen. 
Die erst jetzt in ihrer mächtigen Ausdehnung deutlich erkennbare Feindesstellung wird noch 
rasch aus allen Gewehren mit einem kurzen, wirkungsvollen Schnellfeuer überschüttet, und 
während noch die letzten Reserven eingesetzt werden, schmettert schon das helle Sturmsignal 
über die merklich gelichteten Reihen der unerschrockenen Angreifer dahin. 
Die Italiener schienen anfänglich zu hartnäckigem Widerstand entschlossen gewesen zu sein. 
Von ihrer besten Truppe, den Alpini, hatten sie eine sorgfältig gesichtete Auslese auf den 
für die Abwehr unserer Offensive hochwichtigen Berggipfel gestellt, aber dieses zornbebende, 
nach dem Handgemenge lechzende, immer aufs neue erschallende Hurra des Angreifers und 
sein alle Gefahren verachtendes, wahrhaft tollkühnes Anstürmen über die schwierigsten 
Geländehindernisse hinweg jagte wohl ein lähmendes Grauen in die Glieder der Welschen. 
Ohne erst den entscheidenden Kamps von Mann gegen Mann abzuwarten, stürzten sie den 
Osthang des Mt. Cimon in größter Unordnung hinab. 
Als sie sich jedoch unten im offen daliegenden Tal, ausgenommen von zwei zur Hilfeleistung 
herbeigeeilten, noch vollkommen unerschütterten Kompagnien, zu erneutem Widerstand sammeln 
wollten, begannen unsere vorzüglich befehligten und nicht minder gut bedienten vier Maschinen¬ 
gewehre in den dichtgedrängten, wirren Reihen der Italiener aufzuräumen wie die Sicheln 
im erntereifen Weizenfeld. Was nun noch dort unten folgte, war die panikartige Flucht 
eines von Todesangst gejagten, haltlosen Menschenhaufens, zu dem die wohlausgeruhten, 
gutgenährten und bestens ausgerüsteten Alpini innerhalb weniger Minuten geworden waren. 
Um 3.20 Uhr war der erste Schuß auf dem Mt. Cimon gefallen und schon um 3.50 Uhr, 
also nur eine halbe Stunde später, befand sich dieser von seinem Verteidiger für unein¬ 
nehmbar angesehene, wie von ergrimmten Titanenfäusten geformte Felsenbau im unbestrittenen 
Besitze des heldenhaften Angreifers und war weit in die Runde hinaus von jedem kampf¬ 
fähigen oder zum Kampf bereiten Italiener gesäubert." 
„Mit Ungestüm griffen", so schreibt das Archivwerk 1, „das IV. Seron, des 
Grazer IR. 27 den Mt. Cimon, das I. Baon des IR. 11 den Mt. Baldo und Teile 
des IR. 73 die südlich anschließenden Höhen an. Am 30. abends waren mehrere 
Alpinibataillone, die sich verzweifelt zur Wehr gesetzt hatten, in das Tal von Campo 
Mulo hinabgeworsen." 
Das rechts von den sturmentflammten 27ern angreifende Halbbataillon des 
IR. 11 fand wohl keine Gelegenheit mehr, bei der Erstürmung des Bergklotzes 
mitzuwirken. Es erstieg erst gegen 4.30 Uhr nachmittags, durch ausgedehnte steile 
Wandpartien in der Westflanke des Bergmassivs gehindert, den bereits vom Feinde 
gesäuberten Gipfel. Ein beträchtlicher Teil des flüchtenden Feindes geriet in die 
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1 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, IV., 328.
	        
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