Zwischen dem 24. und 27. November zog Kaiser Karl persönlich eine Reihe der
bedeutendsten Führer zu Rate. Conrad sprach sich unbedingt für die Fortführung
der Offensive, und zwar beiderseits der Brenta, aus, Alfred Krauß für einen Stoß
im Raume Etsch—Gardafe-e, Boroevic für einen solchen über den Piave1 2. Das
Gewicht der Gegengründe machte sich schließlich geltend. So entschloß sich das AOK.
am 1. Dezember zur Einstellung der Offensive, die ursprünglich nur als „Vorbeuge-
angriff am Isonzo" gedacht war und sich unerwartet zur großen Operation im
freien Felde ausgeweitet hatte.
Notwendige Stellungsberichtigungen sollten das Fortführen der Offensive vor¬
täuschen. So kam es bis zum Jahresende noch zu einzelnen „Stegreiskämpfen, die
nicht mehr von der Gunst der Umstände zehrten und von ermüdeten, mit geringer
Artillerie versehenen Truppen ausgefochten wurden3".
Am 4. Dezember früh holte FM. Conrad erneut zum Angriffe aus. Nach
mächtiger Artillerievorbereitung, an der sich auch deutsche Batterien beteiligten,
brachen die Truppen der verstärkten 18. ID. gegen die in gewaltiger Überhöhung
angelegten, reich -ausgerüsteten Abwehrstellungen im Melettagebiete vor. Hoher
Schnee und grimmige Kälte erschwerten das Vorwärtskommen. Allein die mit
großer Sorgfalt vorbereitete artilleristische Stützung der Angrisfsaktion und die
Tapferkeit der Infanterie wußten jedweden Widerstand zu brechen. Schon in den
Morgenstunden nahm die 18. ID. mit wuchtigem Stoße die sorgfältig ausgebauten
Stellungen des Mt. Bädelecche, vom KSchR. III bezwungen. Bald darauf fiel der
Mt. Tondarecar den oft erprobten Oberösterreichern des X./14. Baons., beiderseits
vom FIB. 22 und vom LstBaon. 164 unterstützt, in die Hände. Um die Mittagsstunde
war der Mt. Miela erobert. Nun ging es zum Angriffe aus die Melettabastion, die
bisher nur durch Artilleriefeuer niedergehalten worden war. Gegen Abend des
4. Dezember brach auch hier der Widerstand der Italiener unter dem umfassenden
Ansturm der tapferen Hessen und Kaiserschützen zusammen. In der bitterkalten
Sturmnacht brandete um 11 Uhr nachts der erste Ansturm der Italiener gegen den
Mt. Miela von Südwesten heran, der aber an der Abwehr der wackeren Hessen
zerschellte. Die hiebei eingebrachten Gefangenen verrieten, daß von allen Seiten
Truppen herangeholt würden, um die Niederlage wettzumachen. Das Baon. X/14,
fast ganz zur Stelle, war bereit, keinen Fußbreit des so kühn eroberten Geländes
preiszugeben. Die fürchterliche Kälte und der zeitweise zum Orkan anwachsende
Schneesturm forderten Opfer über Opfer, und erschreckend sank die Zahl der
Kämpfer. Die wenigen aber, die der Wetterunbill zu trotzen vermochten, wehrten
alle Versuche des über seine Niederlage ergrimmten und gereizten Feindes zur
Wiedergewinnung der verlorenen Höhen -ab. Fünfmal stürmten die Italiener bis
zum 5. Dezember, 9 Uhr vormittags, todesmutig gegen die Stellungen des Hessen¬
bataillons unverrichteter Dinge an -und holten sich blutige Köpfe. Empfindlicher
Munitionsmangel war bereits eingetreten, doch Bajonett und Kolben taten volle
Arbeit. Die Hessen von X/14 verblieben noch bis 11 Uhr vormittags des 5. Dezember
in den behaupteten Gräben und übergaben sie an das IV./27. Baon.3.
1 Schwarte, V., 450.
2 Stegemann, IV., 458.
3 „Das X. Bataillon des oberösterreichischen k. u. k. IR. Ernst Ludwig Großherzog von
Hessen und bei Rhein Nr. 14 im Weltkrieg", herausgegeben vom Hessen-Offiziersbund, Linz, 1932.
Die Geschehnisse beim Baon. IV/27 sind im folgenden Abschnitte behandelt.
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