Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Schwierigkeiten in der Abwehr waren natürliche Auswirkungen. Von allem Anbe¬ 
ginne war die große Lebensader Tirols, das griffnahe Pustertal, erfehntes Ziel des 
Feindes. Der Heimat Schicksal lag in den Händen der Landsleute. In den ersten 
langen Kriegswochen waren Standschützen und Landsturmmänner mit der natur¬ 
gegebenen Überlegenheit ihrer Bergkenntnis, mit der Sorge um die geliebte Land¬ 
schaft die wahren Führer, denn die Besten ruhten in der schwarzen Erde der 
galizischen Schlachtfelder. Erst nach und nach konnten einzelne Truppenkörper 
des XIV, Korps an die Alpenfront gebracht werden. Wenig geschulte Truppen 
mußten gerade der Elite des italienischen Heeres, Alpini und Bersaglieri, 
gegenübertreten. 
Die Hilfe des Bundesgenossen, das divisionsstarke Deutsche Alpenkorps unter 
GLt. Krafft von Dellmenfingen, war ein Lichtblick in der Düsterheit der ersten 
Kriegszeit an der Bergfront, wenn auch seiner Verwendung Schranken gesetzt 
waren, da sich Deutschland mit Italien noch nicht im Kriegszustände befand. 
Von Süden her schoben sich die Bataillone der Armee des Generals Nava heran, 
dieser italienischen 4. Armee, deren Ziel es war, Südtirol durch einen Vorstoß 
ins Pustertal schnell und sicher abzuschnüren. Aber das Zögern der Italiener, 
das die 27er des X. MaBaons. in den Mai- und Iunitagen 1915 am Karnischen 
Kamm erlebten, wurde auch an der Dolomitenfront für die Verteidiger zum großen, 
rettenden Wunder im Bergkriege. Kostbarste Zeit war gewonnen und genutzt: der 
Karnische Kamm war eudgültig zur Widerstandslinie erklärt, die Kette westlich des 
Kreuzbergpasses erstiegen und befestigt, gegen einen Vorstoß an der Schlagader — 
das Pustertal — eine wenn auch bescheidene Mauer gesetzt worden. Die ver¬ 
alteten „Sperren" konnten keine Hilfe bringen; ihre Geschütze wurden ausgebaut, 
die Rohre durch Baumstämme ersetzt. Längst lagen diese Attrappen als will¬ 
kommene, munitionverschlingende Zielscheiben in Schutt und Trümmer geschossen. 
Aber es erstand eine Mauer aus Fleisch und Blut. Wieder war es der Mann, der 
den Kampf entschied, nicht die Waffe, nicht die überzahl. 
Für den Italiener war die Sternstunde versäumt worden. Cadornas methodisches 
Kampfverfahren und das Zögern seiner Generale brachten die italienische Armee 
um alle Vorteile zahlenmäßiger und materieller Überlegenheit. So waren alle 
bisherigen Geschehnisse an der Dolomitenfront, wie überall entlang der weit¬ 
gespannten Bergfront, ein mühselig-blutiges Ringen um Gipfel und Täler, um ein¬ 
zelne Stützpunkte, dem jedoch bis nun jede entscheidungbringende Wirkung 
versagt blieb. 
Der Kampfabschnitt Fanes—Travenanzes 
In das Reich der Fanes sollten die 27er des III. Baons. einziehen. Unweit von 
Cortina d'Ampezzo liegt dieses Hochland mit seinen weiten Almböden, umragt von 
zerrissenen Felsketten, wenig begangen und abseits gelassen vom großen Strom 
der Bergsteiger, zumal wenn aus dem winterlichen Zauberreiche der Fanes die 
wahrhaft königlichen Wunder emportauchen. Denn es ist ein verzaubertes Land. 
Die Sage weiß vom mächtigen Reiche der Fanis zu erzählen, vom Faniskönige, 
von den zaubergewaltigen Silberpseilen einer holdseligen Prinzessin, die des 
Landes Feinde besiegte, bis sie der Liebe zum nachtäugigen Prinzen erlag, ihr 
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